Der Kuss
Der große Wagen hält abrupt am Straßenrand. Ich stehe an der Auffahrt
Richtung Hannover, um nach Berlin zu kommen.
Am Steuer des Viertürers sitzt ein Mann in einem braunen
Ledermantel.
„Steigen Sie ein,“ sagt er, nachdem ich meine Richtung genannt habe,
„ein Stück kann ich sie mitnehmen.“
Ich werfe meinen Rucksack auf den hinteren Sitz und nehme
vorn Platz. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz beim Autostop,
sich so zu platzieren, dass man sich mit dem Fahrer unterhalten kann.
Der schneeweiße Wagen gleitet über die Fahrbahn. Der Motor ist kaum zu hören.
„Etwas Musik vielleicht? Wählen Sie doch bitte den Sender.“
Ich drücke auf die Senderknöpfe, bis ich eine mir vertraute Melodie
höre.„Hit the road Jack” von Ray Charles.
“Toller Sänger.”
Der Fahrer klopft mit den behandschuhten Fingern auf das Lenkrad.
„Richtig toller Sänger.“
Er erzählt mir, dass er in der Schuhbranche arbeitet, Besitzer mehrerer
Schuhläden ist und nach Hannover auf die Messe fährt, um sich
neue Modelle anzuschauen. Als er erfährt, dass ich im künstlerischen
Bereich arbeite, etwas mit Grafik zu tun habe, bietet er mir
eine Arbeitsmöglichkeit auf einer Messe an.
„Sie könnten doch gut meinen Stand auf der Messe dekorieren, ich
meine entwerfen und so etwas. Ich zahle gut.“
Ich lasse ihn im Unverbindlichen und er wechselt das
Thema.
„In Berlin, da geht es ja sicherlich drunter und drüber, ich meine
mit den Bekanntschaften und , man hört da ja so einiges. Wilde
Geschichten.“
Ich zünde mir eine angebotene Zigarette mit dem Feueranzünder an,
der am Armaturenbrett steckt. Der Fahrer zieht meine
Hand mit dem Anzünder zu sich herüber und drückt
die Spitze der Zigarette in das kreisrunde glühende Loch des
Anzünders. Dabei schaut er abwechselnd auf die Fahrbahn und auf mich.
„Schon mal etwas von homoerotischer Liebe gehört?“
Ich warte einen Augenblick und denke nach.
„Meinen Sie schwule Männer?“
Ja, so könnte man das sagen, haben Sie etwas dagegen?“
„Nein, überhaupt nicht, jeder soll nach seiner Facon glücklich
werden.“
Der Fahrer zieht an seiner Zigarette und schweigt.
„Darf ich Sie einmal etwas fragen. Sie müssen die Frage
nicht beantworten.“
„Sie waren so nett, mich in Ihrem Wagen mitzunehmen, also
dürfen Sie auch alles fragen.“
„Es handelt sich aber um eine sehr direkte und persönliche Frage.“
„Warum nicht.“
Wenn ich jetzt auf den nächsten Parkplatz fahren würde,
wären Sie dabei, ich meine, also ein bisschen Liebe.“
„Ja, warum nicht, aber umsonst mache ich das nicht.“
„Sind Sie mit 50 Euro einverstanden?“
„Nein! Das ist zu wenig.“
„Hundert Euro.“
„Nein.“
„Ich kann Ihnen auch 150 Euro anbieten.“
Ich mache es auch nicht für 200, hier am Straßenrand.
Das ist nicht mein Niveau. Mein Vorschlag ist, Sie laden mich
ein Wochenende in Ihr Haus ein und dann machen wir es uns gemütlich.“
„Abgemacht, ich schicke Ihnen ein Ticket und Sie kommen, versprochen?“
„Ehrenwort, versprochen, ich komme.“
Nach einer halben Stunde erreichen wir die Abfahrt Hannover, ich
steige aus und bin mit einem weiteren Auto bald in Berlin.
Eine Woche später liegt ein Ticket Berlin/ Bremen in meinem Briefkasten.
Ich bin zu einer Party im Haus des Fahrers eingeladen.
Nach einem Tag sage ich zu.
Der Fahrer holt mich vom Flughafen ab. Er parkt direkt vor seinem Haus,
einer Villa aus der Gründerzeit, die abgesetzt von anderen
Häusern steht.
Mit Überraschung sehe ich wie eine Frau die Tür öffnet und der
Fahrer diese als seine Frau vorstellt.
Es ist noch früh am Abend. Ein Zimmer ist mit Girlanden dekoriert.
„In ein, zwei Stunden werden drei, vier Gäste kommen. Dann
steigt die Party.“
Ich entschuldige mich und gehe aus dem Haus in den Garten.
An einem Apfelbaum denke ich nach. Sollte ich lieber gleich wieder
abreisen. Die Neugierde überwiegt und ich gehe wieder in das Haus
zurück. Die Frau des Fahrers ist nicht zu sehen.
Ich stoße mit einem Glas Champagner mit dem Fahrer an. Allmählich
wird es dunkel und kein Gast kommt.
„Dann feiern wir halt alleine, prost.“ Er schenkt mir ein weiteres Glas
Champagner ein.
„Meine Frau macht jetzt die Betten und dann dürfen wir.“
„Ja, ich dachte Ihre Frau ist dabei, ich meine zu dritt kann auch schön sein.“
In diesem Augenblick wusste ich, es gibt kein Weg mehr zurück, was
auch Überraschendes kommen sollte. Ich befinde mich mitten in einem Tunnel
und der way out führt nur nach vorn.
„Die ist heute unpässlich, wenn Sie verstehen, was ich meine.
Frauen haben so ihre Tage. Da haben wir Männer es ja besser.
Noch etwas Champus?
Ich halte ihm mein Glas hin, er zieht meinen ganzen Arm zu sich
herüber und schenkt mir mit einem Lächeln ein.
„Morgen zeige ich dir dann die Stadt. Wir bummeln ein bisschen,
kaufen etwas Schönes. Du wirst sehen, das wird ganz nett.
Und jetzt ins Schlafzimmer, komm.“
Er versucht mich an die Hand zu nehmen, ich wende mich ab,
gehe aber hinterher.
Im Schlafzimmer steht ein ganz einfaches Doppelbett, rechts
ein großer Schrank.
Der Fahrer knipst die Nachttischlampe an. Der Raum füllt
sich mit rotem Licht.
Ich kichere. Sieben Gläser Champagner und das rote Licht
im Schlafzimmer reizen mich zu dieser Reaktion.
„Das ist ja wie im Puff.“
„Magst du das Licht nicht? Das ist doch Romantik pur.“
Kannst du mir einen Gefallen tun? Ziehst du bitte dieses
schwarze Negliege an. Du würdest mir eine unglaubliche
Freude machen.“
Der Fahrer holt das schwarze Leibchen vom Bügel herunter und
wedelt damit vor meinem Gesicht.
„Bitte, zieh das an.“
Ich streife meine Hose und das Hemd herunter, bin nackt und schlüpfe
in das Negliege. Es ist kurz wie ein T-shirt und reicht mir bis
zur Hüfte.
Mit einem Sprung bin ich im Bett und warte.
Ich hätte nie gedacht, das die Haut eines Mannes so rau ist.
„Küssen ist nicht drin. Tut mir leid, aber das geht nicht.“
Ich schaue auf das Glied des Fahrers. Es befindet sich in erigiertem
Zustand. Ich habe die Erektion erst nicht bemerkt, da sein
Penis die Größe meines Mittelfingers besitzt und steif ist.
„Ist das alles ?“ fragte ich ihn.
„Ja. Leider, da ist nicht viel, aber in der letzten Woche war
ein ganz bekannter Schauspieler hier. Bei dem ist alles noch kleiner.“
Er rutscht mit diesen Worten ganz nahe an mich heran, ich
weiche aus und falle aus dem Bett.
„Mir ist übel, ich möchte gehen.“
In diesem Augenblick öffnet sich die Tür des Schrankes
und ich sehe, wie im Schrank eine mir unbekannte Person steht.
Ich reiße meine Kleidung an mich und laufe im
Negliege aus dem Haus auf die Straße.
Ich laufe und laufe, bis ich so erschöpft bin, dass ich mich hinter einen
Busch lege. Ich blicke in den Himmel und sehe das Sternenbild des
Großen Wagens. Dann schlafe ich ein.