vonErnst Volland 11.06.2010

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Der Main ist einer der ganz wenigen Flüsse in Deutschland, die vom Osten in den Westen fließen, also quer. Vielleicht liegt mir daher dieser Fluss ganz besonders. Zum dritten Mal nehme ich mir fünf Tage Zeit, um ein Stück des Main entlang zu radeln. Es ist Ende Mai und ich bin in Begleitung
eines ausgesprochenen Weinkenners, der in seiner Potsdamer Villa über Tausend Flaschen in seinem Keller fachgerecht verstaut hat. Von den drei Konstanten Wein, Mai und Main enttäuscht nur der Mai. Schon beim Start in Würzburg wird die Regenpellerine übergezogen und bis zum Abend nicht mehr entfernt. Es regnet auf der Tour jeden Tag. Unsere Tagesetappen überschreiten nicht fünfzig Kilometer. Der Grund für diese geringe Kilometerzahl besteht in der sorgfältigen Recherche nach herausragenden Weingütern, die am Wegesrand liegen. Ein Besuch bei zwei Winzern, Horst Sauer und Rainer Sauer haben wir bereits hinter uns. Die Weine vom Echerndorfer Lump überzeugten uns bei beiden Winzern, die nicht miteinander verwandt sind und ihre Weingüter an der Hauptstraße fast visavis betreiben. Horst Sauer kann man als einen der deutschen Weissweinstars bezeichnen. Ohne jedes Pathos ist hier anzufügen, dass in Deutschland mit die besten Weissweine weltweit angebaut werden. Am Main, in Franken sind es vor allem Silvanertrauben, aber auch Müller- Thurgau, Scheurebe und Riesling. Der Boden am Lump, einem langgestreckten, voll mit Weinstöcken besetzten Berg, direkt an einer Mainschleife, besteht aus Muschelkalk und Lößlehm. Die Kombination aus Hangneigung, Sonneneinstrahlung und Boden erscheint einmalig. Dieses Terroir gibt dem Winzer die besten Voraussetzungen für einen unverwechselbaren und langlebigen Wein.
www.weingut-horst-sauer.de/.
www..weingut-rainer-sauer.de/
Meine Skepsis gegenüber Weinen von Winzern, die von allen gelobt werden und regelmäßig in den Medien auftauchen, wie das im Fall von Horst Sauer ist, wurden eines besseren belehrt. Die von Frau Sauer durchgeführte unterhaltsame Weinprobe, Motto: Anklopfen und probieren, auch kurz vor Feierabend, bescherte wahre Gaumenfreuden. Schuld daran war der gerade auf Flaschen gezogene 2009er Jahrgang.
In Würzburg am Juliusspital regnet es. Wir schlüpfen in einen Weinladen des Spitals, in dem man preiswerte Schoppen trinken kann. Die mit einfachen Holztischen ausgerüstete Weinecke ist so früh am Vormittag mäßig besucht. Den gut ausgeschenkten Schoppen (0,25) Silvaner 2008 holt man sich an der Rückseite des Weintresens. Das fast ausschließlich ältere Publikum hat sich mit jeweils einer Brotzeit eingedeckt, frisch vom benachbarten Bäcker oder Metzger. Sauberes Geschirr und Besteck stellt die Gaststätte gratis. Selbst mitgebrachter Leberkäs mit Brötchen, dazu einen 2008er Silvaner vom Juliusspital für 2,70, der erste Höhepunkt des Tages.
An den Ufern des Main entlang geht es mitten durch die Stadt in Richtung Zell am Main. Der manchmal schauerartige Regen treibt uns unter schützende Dächer. Doch nicht überall stehen gemütliche Gasthöfe, also geht es weiter, mitten durch den Regen. Unser nächstes Ziel liegt in Margetshöchheim. Dort sitzt das Weingut Scheuring, in der Lutzgasse 6.
Das hohe Holztor des Weingutes lässt sich nicht öffnen. Es ist Mittagszeit und wir stellen uns unter den Vorsprung einer gegenüber liegenden Garage. Fünf Minuten, nachdem wir die junge Winzerin, Frau Ilonka Scheuring angerufen haben, rauscht ein dunkelgrüner VW Pickup durch den Regen und hält vor der Nr. 6.
Wir haben Frau Scheuring im Januar des Jahres auf einer Weinprobe im Rathaus Schöneberg kennen gelernt und sofort bei ihr auch einige Flaschen Spätburgunder, den Lainacher Himmelberg 2008, gekauft. Dieser lag laut Aussagen der Winzerin im Holzfass und schmeckte nach feinen Himbeeren und Waldbeeren. Zur Weinprobe im Schöneberger Rathaus bot sie die Flasche für 5 Euro an. Da konnte man nicht nein sagen. Mir hat er ganz gut geschmeckt, meinem in Sachen Wein sehr kenntnisreichen Weinradbegleiter weniger. Jetzt möchte wir in aller Ruhe den neuen Jahrgang 2009 probieren. Besonders loben müssen wir die 2009er Scheurebe (Stachelbeer und Holunderblütennoten) in der 0,75 Bordoflasche, ebenfalls für 5 Euro. Fast eine Stunde dauert unser Test. Wir sind insgesamt mit dem aktuellen Angebot des Weingutes Scheuring zufrieden. Der 2009er verspricht ein sehr guter Jahrgang zu werden. Zwischendurch tauschen wir diverse Themen rund um den Wein aus: Korken, Schraubverschluß oder sogar Glasverschluß; Barrique und Holzfass; Spätburgunder oder Domina. Die junge Winzerin macht auf uns einen sehr kompetenten und freundlichen Eindruck. Von ihrem Wein sind wir sogar begeistert. Die Bestellung folgt per Post.
www.weingut-scheuring.de
In Karlstadt stehen wir auf dem verlassenen Marktplatz. Der Blick zum hohen Kirchturm zeigt uns an, wie spät es ist, genau sieben Uhr. Im gleichen Augenblick bläst eine einzelne Trompete eine ohrenbetäubende Melodie. Wir fragen nach dieser Vorführung eine vorbei eilende Karlstädterin nach einem preiswerten Hotel und einem guten Restaurant, möglichst etwas entfernt von der trompetenden Kirche. Beim empfohlenen „Fehmelbauer“ essen wir sehr gut, kommen aber für die Nacht dort nicht unter. Man empfiehlt uns ein Privatquartier direkt am Main, dessen Interieur uns in die 60er Jahre versetzt, ebenso das Outfit der vermietenden Wirtin.
Am nächsten Morgen treffen wir vor der Tür des Privatquartiers eine Vierergruppe Radfahrprofis, die an einem Tag drei mal mehr Kilometer radeln als wir. Ihre Räder und Kleidung sind entsprechend dafür ausgerüstet. Auf Anfrage erfahren wir, dass sie nirgends halten, um an einer Weinverkostung teilzunehmen, sondern nur radeln wollen. Wir aber wollen in Kürze eine weitere Weinverkostung vornehmen, kommen jedoch an der oberen Mainschleife bis Lohr nicht in diesen Genuss, da dort kein Wein angebaut wird. So kehren wir auf unserem gut gepflasterten Radweg, der immer direkt am Main entlang führt, in die eine oder andere Wirtschaft ein und trinken dort verschiedene Schoppen Frankenwein. Der Schoppen (0,25 L ) kostet nie mehr als 2,50 Euro. Zur Auswahl stehen Silvaner, Bachus, Scheurebe und Riesling. Kurz vor dem Städtchen Marktheidenfeld, es ist erst drei Uhr am Nachmittag, winkt uns ein Biergarten zu, der direkt am Main liegt. Nach einer zweistündigen Siesta mit einer gebratenen Forelle und einem Glas Scheurebe entscheiden wir uns, das erstbeste Hotel zu buchen. Es liegt nur zwanzig Schritte vom Biergarten entfernt. Die Sonne strahlt vom blauen Himmel, der Main fließt langsam und träge dahin. Die Zeit scheint still zu stehen. Trotz Biergarten trinken wir ausschließlich Wein, jetzt vor allem Silvaner. Er bleibt bei den Frankentrauben unserer Favorit. Das Hotelzimmer kostet mit Blick auf den Main zwei Euro mehr als ohne Blick.
Am nächsten Tag haben wir drei Weinproben vor uns, von denen eine in Kreuzwertheim erwähnenswert ist. Es handelt sich um das Weingut Fürst Löwenstein. Dort ist ein Trauerfall zu beklagen. Vor einigen Tagen starb der junge Fürst, 43 Jahre alt bei einem Autorennen auf dem Nürburgring. Er fuhr einen Aston Martin GT4. Still prüfen wir die Tropfen des 2009er Jahrgang.

In Bürgstadt am Main, unserer Endstation, übernachten wir in einem der schönsten Hotels vom ganzen Main, einschließlich des roten und des weißen Main. Im Weinhaus Stern ist alles gut: Die Zimmer, die Wirtin, der Koch, die Speisekarte, das Essen, die Weine und das sensationelle Frühstück ohne einen Zentimeter Plastik, aber mit Produkten, vorwiegend aus der Gegend. Das Rührei mit Speck, frisch zubereitet von der Mutter der Wirtin, ein Traum. Wer es nicht glaubt, sollte dort einkehren. Wir sind zwei Nächte geblieben und bereuen nichts.
Für Zögerliche: Der Adler, direkt gegenüber der Straße, ist auch zu empfehlen.
Die Zimmer im Weinhaus Stern sind für den nächsten Aufenthalt dort schon gebucht. Das Weingut Rudolf Fürst in Bürgstadt gilt im Rotweinbereich als eines der besten in Deutschland. Andere Winzer in Bürgstadt ziehen nach. Neuberger, Meisenzahl, Hench, Sturm, Stich und andere. Der Centgrafenberg, im Rücken des Städtchen Bürgstadt gelegen, bringt gute Spätburgunder. Im Herbst wandern wir den Rotweinweg am Main entlang. Wir hoffen, es wird nicht nur eine Ortsbesichtigung. Aber in Bürgstadt hat sich beim Wein in den letzten Jahren wirklich einiges getan.

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