vonErnst Volland 08.07.2013

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Rede zur Ausstellungseröffnung von Ernst Volland in der Villa Ichon, Bremen am 27. Juni 2013

Ernst Volland ist einer der profiliertesten Vertreter der politischen Kunst in der
Bundesrepublik Deutschland.
Seit Ende der 60er Jahre in Berlin lebend, prägte er, zusammen mit einigen Kollegen, die satirische Sicht einer ganzen Generation.
Ernst Volland und seine Kollegen zeigten uns wie befreiend es sein kann, wenn man dem Schrecken mit einem Lachen begegnet.
Ich lebte in den 70ern und 80ern in Bayern, auf Schritt und Tritt konfrontiert mit der reaktionären Enge der Politik à la Franz Josef Strauß. In einer Situation, in der mir regelmäßig die Autoreifen meines VW-Käfers zerstochen wurden, solange ich einen Stoppt-Strauß-Aufkleber im Rückfenster meines Autos kleben hatte, waren die Plakate von Ernst Volland für mich und meine Mitstreiterinnen eine große Freude und Hilfe. Ich erinnere mich gut an das Plakat, das Franz-Josef Strauß zeigt, drohend über den Türmen der Münchner Frauenkirche hockend, eskortiert von Starfightern, „die Rettung aus den bayrischen Bergen “ verkündend. Wie erleichternd war es, über diesen schrecklichen Typen, dargestellt als Gespenst und Hexe, mal richtig lachen zu können.
Demaskieren und lächerlich machen, hieß das Rezept, das Ernst Volland anwandte. Ein Rezept, das stärkte und half. Ein Rezept, dessen Wirkung ich bis heute schätze.

Ernst Volland kümmerte sich aber nicht nur um die Rettung aus den bayrischen Bergen. Politiker aller Couleur, damals waren die Frauen zumindest in der BRD noch nicht so stark in der Politik vertreten, wurden zur Zielscheibe seiner satirischen Waffe. Vieles von dem, was Ernst Volland damals auf seinen Plakaten dem Gespött preisgegeben hat, hat bis heute nichts von seiner Schärfe verloren. Auch wenn die Personen inzwischen andere sind, die Schamlosigkeit, mit der zum Beispiel die verschiedenen Parteienvertreter bereit sind sich miteinander zu verbandeln (Buchtitel), wenn es nur der vermeintlichen Machterringung oder Machterhaltung dient, können wir heute genau wie damals feststellen, wir können allerdings das Farbenspektrum der Parteien, die mit dabei sein wollen um das Grün erweitern.
Die Sachverhalte, die sich Ernst Volland damals vorgenommen hat, sind oft bis heute nicht erledigt.
Das zeigt zum Einen, wie lange und mühsam der Weg ist bis zu tatsächlichen Veränderungen zum Positiven. Ein Beispiel für den notwendigen langen Atem sind die Plakate, die sich mit dem Thema Atomkraft befassen.
Zum Anderen ist es ein Beweis für die Qualität der Vollandschen Plakate, dass viele bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben.
Das ist mir besonders deutlich geworden an dem Plakat: „Mit Nazis spielt man nicht“.
Während Antifaschisten sich seit Jahrzehnten abmühen, die braune Pest klein zu halten, müssen sie immer wieder ohnmächtig erleben, dass Behörden wie Stadtämter, Gerichte, Polizei und Verfassungsschutz Neonazis nicht nur gewähren lassen, sondern sie vielerorts sogar begünstigen.
Das oben genannte Plakat entlarvt eindrücklich den Umgang der staatlichen Institutionen mit den Neonazis und zeigt, dass sie es mit der Bekämpfung des Rechtsradikalismus nicht wirklich ernst meinen, und es macht deutlich, dass wir uns selbst um dieses Problem kümmern müssen.

Ernst Volland hat in der Zeit, als er die meisten seiner Plakate schuf, genügend juristischen Ärger bekommen.

1982 zerstörte die Polizei eine Plakatausstellung von ihm – organisiert von der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst im öffentlichen Raum in Berlin – weil auf einem Plakat ein Hakenkreuz abgebildet war. Eine polizeiliche Glanzleistung, die übrigens bis heute immer wieder geboten wird, wenn bundesdeutsche Behörden “Ernst” machen mit dem Kampf gegen Rechtsradikalismus.

Berühmt wurde sein Rechtsstreit mit der Jägermeisterherstellerfirma. Das umstrittene Motiv ziert die Einladung für die Ausstellung in Bremen. Dieser Rechtsstreit hatte die positive Wirkung, dass Ernst Volland dadurch sehr bekannt wurde und dass die Zeitschrift Pardon, die das Bild abgedruckt hatte, sprunghaft ihre Auflage erhöhen konnte. Ein erfreuliches Ergebnis der versuchten Zensur.
Der Spaß hörte allerdings auf, als sich die Anzeigen häuften. Wenn sich nicht die Dargestellten selbst, z.B. Franz-Josef Strauß mittels Strafanzeigen wehrten übernahm das auch die Staatsanwaltschaft. Wegen unbefugten Benutzens des Bundesadlers musste ein Bußgeld von 600.—DM berappt werden.(Plakat) Auf Dauer nervte das den Künstler und beraubte ihn auch zunehmend seiner materiellen Lebensgrundlagen. Die Drangsalierung und Verfolgung endete nicht bei Geldstrafen, Lehraufträge wurden beendet oder nicht verlängert. So wurde dem Künstler systematisch der Boden unter den Füssen entzogen.
Aber auch die Nutzer und Nutzerinnen der Vollandschen Kunst bekamen Probleme,
Galerien durften nicht ausstellen, Städtereklame durfte keine Litfasssäulen an Volland vermieten, Autofahrer kriegten ein Strafverfahren, weil sie ein Volland-Plakat an die Autoscheibe geklebt hatten.
Für einen seiner vielen Gerichtsprozesse holte sich Volland von dem Bielefelder Kunstprofessor Günter Ludig ein Gutachten:

„Vor allem in Zeiten der gesellschaftlichen Veränderung, des Meinungswandels und der damit verbundenen Konfliktzunahme gewinnt die Karikatur als Form der Meinungsäußerung an Gewicht. Sie bietet den Bürgern einer liberalen Gesellschaft die Möglichkeit, auftretende Spannungen gegenüber den Vertretern der Macht (um einige zu nennen: Regierungs- und Staatsvertreter , Behörden, Justiz, Polizei, Militär, Industrie, Wirtschaftsverbände)… zu verdeutlichen.
Und gesellschaftliche Spannungen gehören zum Prinzip der Demokratie…
Karikatur geht von der Realität aus, ohne dabei die objektive Totalität der Wirklichkeit widerzugeben. Geschehnisse werden nicht realistisch, aber sehr plausibel dargestellt. Die Sichtweise der Karikatur ist von der Parteilichkeit und Einseitigkeit gekennzeichnet. Sie schrickt nicht vor Kurzschließungen, Verallgemeinerungen, Verzerrungen zurück. Sie bringt Zerrbilder der Realität zum Ausdruck, subjektive Meinungen, Ressentiments, Ängste. Ihre Gestaltungsmittel sind Ironie und Übertreibung. Karikatur ist Kommentar, Agitation, Anklage. Entsprechend kann sie niemals wörtlich genommen werden, ihre Aussage niemals eindeutig. Die Elemente der Realität werden in ihr in einen vieldeutigen Zusammenhang gebracht. Einem Vergleich mit der wissenschaftlichen Argumentation hält die Karikatur nicht stand.“

Ernst Volland hat nicht nur selbst Kunst gemacht, sondern auch den Kunstbetrieb selbst satirisch aus Korn genommen. In den 80ern erfand er den jungen französischen Künstler Blaise Vincent, er organisierte eine Ausstellung mit großformatigen Bildern dieses bis dahin völlig unbekannten Künstlers mit dem Titel „Frische Malerei“. Die Bilder dazu malte er am Abend vor der Ausstellungseröffnung in seiner Küche. Peinlich für die Fachpresse, die in lobenden Rezessionen von der Frische des jungen Künstlers sprach.

Ernst Volland arbeitete mit unterschiedlichen künstlerischen Mitteln, mit Collagen, Zeichnungen und Texten, mit Comics, Filmen, Fotografien.

Seit den 1990er Jahren widmet er sich der künstlerischen Auseinandersetzung mit
historischen Fotos und fotografischen Ikonen der Zeitgeschichte.
Vor einigen Jahren lernte er Jewgeni Chaldej kennen, den inzwischen verstorbenen sowjetischen Fotografen, der das berühmte Bild des Rotarmisten auf der Kuppel des Reichstages im eroberten Berlin 1945 zeigt. Mit einem Vortrag zu Chaldej war Ernst Volland vor 2 Jahren auch in Bremen bei der MASCH zu Gast.

In den letzten Jahren hat er eine der größten Sammlungen komischer Fotografien aufgebaut.

Sein reiches künstlerisches Schaffen wurde in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland gewürdigt. Seine erste Ausstellungsbeteiligung hatte er noch als Jugendlicher 1965 als Teilnehmer der Ausstellung „Wilhelmshavener Künstler stellen aus“. Es folgten Ausstellungen in Berlin, München, in Lissabon, Florenz, Athen und vielen anderen Orten.
Seine letzte große Ausstellung war im November 2012 im Willy-Brandt-Haus in Berlin, wo seine Plakate zusammen mit den Werken von Klaus Staeck in der Ausstellung „Arbeiten aus vier Jahrzehnten“ gezeigt wurden.

Morgen wird Ernst Volland im Rahmen einer Veranstaltung der MASCH um 20.00 Uhr hier in der Villa Ichon sprechen zum Thema:
Bissfest! – über Plakate, Kunst, Satire, Humor und Zensur
Dazu lade ich Sie herzlich ein.

Ernst Volland hat Gebrauchskunst gemacht. Geschaffen für den massenhaften Gebrauch.
Den Blick schärfend.
Sich einmischend in politische Auseinandersetzungen.
Mit subversivem Witz.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Betrachten der Bilder.

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