vonErnst Volland 26.09.2013

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Die Vorbereitungen dauerten ein halbes Jahr. Jedes Detail für das Gepäck, vom Taschenmesser bis zum Verbandszeug wurde sorgfältig besprochen und dann in einem Globetrotter Store gekauft. Den Impuls für die Reise hatte das Paar, das seit dreißig Jahren kinderlos zusammen lebte, von einem befreundeten Lehrer. Dieser bereiste für einige Wochen das Land, das sie besuchen wollten. Er erzählte ihnen von der Schönheit des Landes, von der Freundlichkeit der Menschen, aber auch von der Schwierigkeit der Kommunikation. Kaum ein Europäer vermochte die Sprache der Einheimischen zu sprechen, das Schriftbild konnten nur wenige Experten lesen. Der Lehrer war auf der Suche nach einem abgelegenen buddhistischen Kloster, das vor hundert Jahren von einem abtrünnigen Mönch weit ab der Zivilisation gegründet worden sein soll. Nach einigen Tagen Marsch durch unwirtsames Gelände brach er seine Reise ab und kehrte um. Die Schilderungen inspirierten das Paar und so bereiteten sie sich auch mental auf die Reise vor, lasen alles, was sie finden konnten über die buddhistische Religion und ihren vielen Verzweigungen und Varianten. Über das abgelegene Kloster konnten sie nichts in ihren Büchern oder im Internet finden und genau diese Leerstelle reizte sie, ihr unternehmen zu starten.
Sie nahmen sich eine Auszeit von drei Monaten unbezahlten Urlaub und ließen sich gegen Malaria, Pocken und andere Tropenerreger impfen. Jeden Morgen standen sie in der Frühe auf, absolvierten ein Lauftraining und gingen anschließend eine weitere Stunde in ein Fitnesscenter. Dann kam der Tag der Abreise.
In der Hauptstadt des Landes konnten sie eine Buslinie finden, die etwa achtzig Kilometer in die Nähe des Klosters führte. Der Bus fuhr einmal in der Woche und der nächste sollte in drei Tagen außerhalb der Stadt an einer Haltestelle abfahren. Der Start stellte sich als ein kleiner Kiosk heraus, an dem sich eine handvoll Menschen mit viel Gepäck versammelten. Während der siebenstündigen Fahrt kamen sie ins Gespräch mit dem einzigen Ausländer, einem jungen neuseeländischen Wissenschaftler, der sich für die Botanik des Landes interessierte und mit ihnen am Ende der Busstrecke in einem Dörfchen mit drei Häusern ausstieg, um dort seine Studien zu betreiben. Der junge Wissenschaftler sprach ein paar Worte in der Landessprache
und mit diesen wenigen Kenntnissen erreichten sie mithilfe eines einheimischen uralten Mannes den Rand eines Waldstückes von dem ein Weg in die Richtung des Klosters führte.
Sie hatten sich auf einen dreitägigen Marsch eingestellt mit zwei Übernachtungen im mitgeschleppten Zelt. Lästige Mückenstiche waren die einzigen Unannehmlichkeiten unterwegs. Am Abend des dritten Tages standen sie vor einem Gebäude mit vielen kleinen Türmchen unterschiedlicher Länge, die alle in den Himmel zeigten. Das musste das Kloster sein.
Vorsichtig näherten sie sich dem Eingang, einem mannshohen Torbogen, den zwei schlanke Säulen links und rechts säumten. Sie blieben stehen und warteten. Nach einigen Minuten näherte sich von der Seite ein freundlich blickender Mann mit einem langen weißen Bart und schaute sie mit gefalteten Händen freundlich an. Dabei verbeugte er sich immer wieder und zeigte auf den Eingang.
Zuerst zögerten sie, doch die einladende Geste überzeugte sie, einzutreten. Im Innern des kleinen Eingangsraumes halfen ihnen zwei stumme Mönche beim abnehmen der Rucksäcke und erfrischten sie mit klaren Quellwasser, das sie aus hölzernen Bechern tranken. Niemand sprach ein Wort. Die beiden Mönche forderten sie auf, den nächsten Raum zu betreten an dessen Ende auf einem bunten Teppich ein groß gewachsener Mönch in einem langen gelben Gewand stand, der ihnen mit einem Lächeln zuwinkte und ihnen bedeutete, näher zu treten.
Als das Paar einige Meter vor diesem stattlichen, über zwei Meter großem Mann stand, verbeugte es sich unaufgefordert. Einige Minuten vergingen. Niemand sprach ein Wort. Der große Mönch hustete ein wenig und sagte in die Stille: „Which country?“ Das Paar blickte sich an und der Mann erwiderte: „Germany“.
Der große Mönch strahlte. „Ah Schweinsteiger, verri gutt“.

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