vonWolfgang Koch 12.07.2007

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Kurz vor der Revolution 1848 beanspruchten eine Reihe von Orten im Wienerwald die Ehre für sich, den »letzten Wolf« erlegt zu haben: Rappoltenkirchen, Gaaden und sogar der Lainzer Tiergarten, wo 1846 das angeblich »allerletzte« Exemplar geschossen wird.

Der Wettlauf deutet auf eine fortschreitende Zersetzung hin: »Wölfe sind gefährlich«, argumentiert die Zeitgenossenschaft, was im Geheimen heissen soll: Es gibt Argumente, die töten.

1847 ist es ausgerechnet ein Neubürger, ein Homo novus, Baron Louis Pereia, der die Frage einer stärkeren Heranziehung der Städte und Märkte zu den ständischen Verhandlungen in ihrer ganzen Breite aufrollt. Allein, das Wort von »freien Gemeinden in einem freien Staat« ist jetzt gefährlich. Die drückende Einmischungsgewalt des niederösterreichischen Statthalters lässt sich nicht so ohne weiteres kritisieren. Die Presse muss zeitweise nach Brünn abwandern.

Karl Möring geiselt in den anonymen erscheinenden Sibyllischen Büchern aus Österreich, die trotz strengstem Verbot im Jänner 1848 zirkulieren, die »systematisch anerzogene Apathie« seiner Landsleute. Diese Apathie habe »das österreichische Communalwesen zur ekelhaftesten Leithammelei auf Erden gemacht«.

Am Beginn der Revolte steht sie klar da: die Forderung nach kommunaler Selbstverwaltung. Das Bürgertum will endlich staatsfreie Bereiche in gesellschaftlichen Entscheidungen. Die Forderung nach städtischer Autonomie ist durchaus ausgereifter und pointierter als die nach der verfassungsrechtlichen Konstitution eines Staatswesens mit demokratischen Mehrheitsentscheidungen.

Ein gewisser Karl Marx und sein Partner Friedrich Engels sehen im reaktionären, rückständigen Österreich »das europäische China«. Was diese Heglianer nicht sehen, ist die neue Flexibilität des Verstandes, die unruhige Stadt, durchsetzt von echten, wankelmütigen und falschen »Jakobinern«.

Im Moment glauben sich die Aufsässigen zu einer politisch führenden Rolle im habsburgischen Herrschaftsbereich berufen. Es schrecken keine Kerkerzellen mehr. Der Angriff der jungen Kräfte richtet sich ausdrücklich »gegen die staatliche Gewalten mit dem Mittelpunkt in Wien«.

© Wolfgang Koch 2007
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