vonWolfgang Koch 23.10.2008

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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17-10-08
Der Pazifist und Quäker Ernst SCHWARZ ist im 86. Lebenjahr verstorben.

Das christliche Altherrenblatt Die Furche unterzog sich einem sogenannten Relaunch und sieht jetzt aus wie eine Tageszeitung vor zwanzig Jahren. Die drei Dutzend Pastoraltheologen, die das Blatt abonniert haben, werden trotzdem dankbar sein.
»Entschleunigung seit über 60 Jahren« verkündet die Redaktion bereits im Titelkopf. – So oft wie heute die Langsamkeit wiedergefunden wird, hat sie gar nicht verloren gehen können.

Wenn in dem stirnrunzelnden Wochenformat namens Furche von »Kirche« die Rede ist, dann ist damit stets Österreichs römisch-katholische Kirche gemeint – als ob es keine anderen Kirchen gäbe. Die Furche hat sich frühzeitig zum Sprachrohr des sogenannten Kirchen-Volksbegehrens von 1995 gemacht. Damals unterzeichneten überraschend 500.000 Katholiken und Katholikinnen ein Reformpapier, das bisher allerdings ohne Folgen belieben ist.
Als Protestant kann ich über das Kirchen-Volksbegehren nur die Kopf schütteln. Wären die 500.000 Unterzeichner kollektiv zur evangelischen Kirche übergetreten, die praktisch alle ihre Forderungen erfüllt, würden die Alarmglocken in Rom gar nicht mehr aufhören zu läuten.

Die optisch geliftete Furche präsentierte den Relaunch vor erlauchten 400 Gästen aus Politik, Kultur und Medien im Wiener Leopold Museum. Passend zur neuen Optik der Zeitung lauter alte Gesichter. Auf dem »Fest für die frische Furche« schwangen ORF-Tween Gerd BACHER, VP-Zukunftshoffnung Heribert STEINBAUER und der Newcomer unter den Bischofen, Helmut KRÄTZL, ihr Tanzbein. Herausgeber Prof. Heinz NUSSBAUMER hauchte die Frage ins Mikrophon, was denn Qualitätsjournalismus sei, und das grossen ORF-Orakel Hugo PORTISCH tröttete zurück: »Dass man gescheiter wird«.

Tanz den Jörg Haider 1. »Wiederholt hat er mit Nationalismus und Rechtsextremismus kokettiert« (Claus REITAN) – und zwei Spalten weiter: »Er hat sich vom Nationalsozialismus eindeutig distanziert und doch immer wieder mit seinen Vokabeln gespielt (Hubert FEICHTELBAUER).

20-10-08
Frankreichs Staatspräsident, seit Wochen mit der Rettung von bankrotten Banken beschäftigt, verzeichnet den mehrfachen unbefugten elektronischen Zugriff auf sein Privatkonto. Nicht einmal das vermag der Elysée-Palast dicht zu halten.

21-10-08
Herzliche Einladung an alle Ganoven der Welt, sich an Österreichs Kulturschätzen zu vergreifen: Nach nur zwei Jahren und neun Monaten verlässt der Art Napper Robert MANG das Gefängnis. Mang hatte im Mai 2003 das berühmteste Salzfass der Welt aus dem Kunsthistorischen Museum am Wiener Ring entwendet und war im Juli 2007 in der zweiten Instanz zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.

Immer weniger Menschen auf der Welt lernen Franzsöisch. Innerhalb der letzten sieben Jahre hat die Zahl in den frankophonen Ländern um 11,8 Millionen Heranwachsende abgenommen.

Sarkozys Gattin kämpft in einer Stifung gegen den Analphabetismus.

22-10-08
Tanz den Jörg Haider 2. »Was Haider zum Faschisten fehlte, war die Verherrlichung der Gewalt, auch in Form marschierender Kolonnen. Gebiete wollte er keine annektieren.« (Armin THURNHER).

23-10-08
Albertina-Direktor Klaus A. SCHRÖDER. »Natürlich wird es nach der Finanzmarkkrise eine Wirtschaftskrise geben.«

Die Lebensmittelindustrie kündigt dramatische Preiserhöhungen für gemeines Feldgemüse um 200 Prozent an.

Grünen-Chefin Eva GLAWISCHNIG will ihrer Partei eine neue »sozialliberale Linie« verpassen. Am selben Tag fordert ihr Justizsprecher Albert STEINHAUSER ein gesetzliches Verbot der Mensur in Schlagenden Burschenschaften. »Die Mensur ist nichts anderes als Körperverletztung.« – Liberal wäre es, das rituelle Fechtduell der Studenten wie SM-Spiele zu qualifizieren, die auf dem Einverständnis aller Beteiligten basieren. Erotic, recreational and consensual. Erlaubt ist, was gefällt!

© Wolfgang Koch 2008
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