vonWolfgang Koch 15.10.2009

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Arbeiten von Österreichs radikalstem Vertreter der Zweiten Moderne, dem Kärntner Nachkriegsavantgardisten Viktor ROGY [1924-2004], sind derzeit in der Wiener Galerie Magnet zu sehen. Das ist gut so, denn Rogy-Präsentationen sind in Österreichs kulturkonservativer Hauptstadt seltener als mystische Hochzeiten unter Saunabrüdern.

Dabei hat der markant glatzköpfige Autodidakt, der in den Sechzigerjahren gemeinsam mit Hans BISCHOFFSHAUSEN ins Kunstmekka Paris pilgerte, eine ganze Generation von heute in Wien lebenden Kollegen mit inspiriert – von Wolfgang WALKENSTEINER über Heimo ZOBERNIG und Reimo WUKONIG bis hin zum Fotokünstler Paul Albert LEITNER. Sie alle haben von der Begegnung mit dem phänomenalen Mann in Kärnten profitiert, ohne seinen Einfluss auf das eigene Werk gebührend zu würdigen.

Der »Alpen-Beuys« Rogy knüpfte, besonders in seinen Konzeptarbeiten mit Schere und Kopierer, an die purifizierende Strenge des Wiener Architekturtheoretikers und Architekten Adolf LOOS an; doch er verband seine eigenen Interventionen im Raum (Villacher Rondell, Löwenzungen, Musil-Denkmal) stets mit der augenzwinkernden Leichtigkeit von Westernhelden und Zirkusartisten.

Die Galerie Magnet versammelt nun exzellente Früh- und Hauptwerke des unbeugsamen Kärntners, der sich in seinem letzten Lebensabschnitt einen erbitterten Kleinkrieg mit dem Rechtspopulisten Jörg HAIDER geliefert hat. Ein Aquarell-Portrait von Rogys ersten Frau Caroline für 1.750 Euro ist ebenso zu sehen wie der berühmte reduzierte Keil (1969), eine Wachs-Wolke (1979) und eine spiegelnde Messingplatte (1978), dazu herrliche Leuchtschriften und kautzige Selbstportraits.

Das alles wird in den gotischen Gewölben sehr klug und abwechslungsreich gezeigt. Rogy selbst hätte es gewiss noch viel nüchterner angeordnet. Doch die Ausstellung passt wunderbar in das versteckte Galerienviertel zwischen der Franziskanerkirche mit ihren Carlones und Steinls und den ehemaligen Mönchsabsteigen in der Annagasse. Rogy war ja ein tiefgläubiger Clown, ein mantra-rezitierender Formsucher, ein alkoholsüchtiger Gotteswüterich.

Auf einer weissen Stele hat Rogys Witwe und kongeniale Künstlerkollegin Bella BAN einen Gipskopf mit dem Titel »Sleeping Viktor« ausgestellt (2.400,- Euro). Der Kopf mit den geschlossenen Augen diente zunächst als Vorlage für Bronzebüsten, die vor Jahren in dichtem Schneetreiben beim nahen Optiker Hartmann ausgestellt waren. Bella Ban befragt ihre eigenen Werke und die Gemeinschaftsarbeiten mit Rogy immer weiter, modifiziert die Bilder, Schriften und Skulpturen äusserst sensibel, so dass dieser auf der linken Wange ruhende Schädel weit mehr von Rogys eleganter Persönlichkeit wiedergibt, als es eine einfache Totenmaske tun würde.

Dank Bans kreativer Beschäftigung mit dem OEvre ihres verstorbenen Gatten lebt dessen Werk heute wie kein zweites weiter. Rogy hat übrigens sein eigenes Sterben in einem Villacher Krankenhaus in stundenlangen Video-Seancen mit seinem Assistenten Werner ÜBERBACHER so kompromisslos festgehalten, dass das schockierende Material bis heute von keinem Fernsehsender ausgestrahlt wurde. Immer weiter entfernt sich der sterbende Greis in diesen Aufnahmen aus seinem durch Krankheit schwer gezeichneten Körper, bis der Geist des Künstlers dann eines Tages nicht mehr in die sterbliche Hülle zurückkehrt.

Du willst Künstler werden, Coolman? Gut. Du willst Künstlerin werden, Girlie? Fein. Dann nehmt jetzt eure Beine in die Hand und pilgert hin in die Himmelpfortgasse, um niederzuknien vor diesen Artefakten des grössten aller Unbekannten der österreichischen Nachkriegskunst. Ich weise dir den Weg, und du wirst überrascht sein, wenn dir in der Himmelportgasse eine Gestalt, die genauso aussieht wie du selbst, die Türe zur Galerie öffnet. Dann wisse, o Jungmensch, dass diese Person eine Kopie von dir ist, und dass Rogy in dieser Gestalt gewartet hat, bis du einkehrst.

© Wolfgang Koch 2009

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kommentare

  • finde ich sehr gelungen, diesen wichtigen hinweis auf den wahrlich größten und leider immer noch fast unentdeckten österreichischen nachkriegskünstler.
    in Leuchtschrift:
    G R A T U L I E R E

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