Am 30. Juli 2001 wurde das Debütalbum der Strokes veröffentlicht.
A band like The Strokes only comes along once in a lifetime. You should be grateful that they’ve come along in yours. Auch abgesehen von persönlichen Vorlieben: es kann nur eine Platte des Jahrzehnts geben. „Is This It“ war eine Sensation, ein Erdbeben.
1999, 2000 war die Euphorie des Britpop längst gewichen, in den USA regierte mit Nu-Metal eine der grässlichsten Musikrichtungen die sich der Herrgott bis heute ausgedacht hat und niemand schien der guten alten Tante Rock’n’Roll wieder Leben einhauchen zu können. Dann hörte – so erzählt es zumindest die Legende – Geoff Travis, der Chef von Rough Trade Records, die erste Minute eines Demobandes einer New Yorker Gruppe, die noch nichts veröffentlicht, bis dato nur eine handvoll Liveauftritte absolvierte hatte und war sofort so hingerissen, dass er zum Telefonhörer griff und die Band unter Vertrag nahm. Exakt jenes Demotape sollte unverändert dann als „The Modern Age EP“ veröffentlicht werden und von nun an war nichts mehr wie zuvor.
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Kurios genug, da die Strokes ja nun wahrlich nichts neues machten, sondern vielmehr Lou Reeds Velvet Underground, Richard Hells „Blank Generation“ und den Minimalismus der Ramones für eine neue Generation, eine neue Zeit übersetzten – und dennoch war der Weg in die Reduktion, in das absolut ornamentfreie eine Bombe. Beinahe jede relevante Gitarrenband der nächsten Jahre war in der einen oder anderen Weise nur denkbar, weil die Strokes mit „Modern Age“ und dem Album „Is This It“ das rulebook of rock neu schrieben und 2001 zum neuen 1977 machten.
Der NME – und das muss man ihm auch einmal anrechnen, so oft er wegen des Anwerfens der Hypemaschine auch kritisiert wird – hob die Strokes noch vor der Veröffentlichung des Debütalbums auf ihr Titelbild, ließ Pennie „London Calling“ Smith die fünf New Yorker im last gang in town Style schwarz-weiß fotografieren und titelte: „The Strokes – Why New Yorks finest will change your life. Forever.“ Und ja: die Strokes veränderten Leben.
Als am 30. Juli 2001 das Debüt in den Läden stand, war die Erwartung so groß wie bei keinem anderen Album seit vielen vielen Jahren. In England hielten ausgerechnet die Clowns von Slipknot das Album vom verdienten Platz 1 ab, in Amerika wurde es bis in den Oktober hinein nicht veröffentlicht. Kommerzieller Erfolg und die Strokes sollte ein jahrelanges Missverständnis werden. Aber der kulturelle Einfluss kann gar nicht überschätzt werden. Ohne Strokes keine Libertines, kein Franz Ferdinand, keine Kings Of Leon, keine Arctic Monkeys.
All die Aufregung und mediales Dauerfeuer würden aber nicht ausreichen, „Is This It“ auch zehn Jahre später noch als generationsdefinierendes Meisterwerk zu sehen, wäre es nicht makellos. Das von Julian Casablancas allein geschriebene Album hat nicht nur eine Hitdichte wie kein anderes Album – welche Band konnte es sich schon erlauben, Songs wie „New York City Cops“ und (zunächst auch) „Last Nite“ lediglich als b-Seite zu verbraten? – sondern ist vor allem in seiner Konsistenz heute noch überwältigend. Diese 38 Minuten definierten auch deshalb die Nullerjahre, weil keine Sekunde überflüssig war. Die Kunst des Verschwindens, des Weglassens perfektionierte diese junge Band in einer Art wie niemand mehr nach ihnen, auch sie selbst nicht.
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Ebenso passte die ganze Attitude der Strokes zu dem Minimalismus ihrer Songs. Die Bandfotos schienen wie die Musik aus einer anderen Zeit, als in New York noch das Herz der Musikwelt schlug, als das CBGB heimlich, still und sehr laut alles veränderte, was in den folgenden 30 Jahren mit Gitarre zu tun haben würde. Das Konzept der Strokes knüpfte an jene untergegangene Idee eines New Yorks vor der Gentrifizierung und Bürgermeister Giulianis Law-and-Order-Politik an, ein New York, das Simon Reynolds so beschrieb:
if you were prepared to live somewhere that looked like Beirut, and where heroin was easier to buy than groceries, (New Yorks) Lower East Side was paradise.
Die Videoclips der jungen Band waren ebensolche Geniestreiche. „Last Nite“ war ein Statement zum Echten, zum unverfälschten Rock’n’Roll. Live aufgenommen, einfach in ein 70er-Jahre-Fernsehstudio gestellt, gelingt es den Strokes eine solche Energie zu entwickeln, dass selbst ein kleiner Rempler von Casablancas gegen Hammond (1:39) oder ein Schlag gegen das Drumset (2:32) wie ein Aufruf zu den Waffen wirkte. Rocknroll war zurück und alle Baseball-Caps dieser Welt dürfen wieder gehen. Never mind Fred Durst – here are The Strokes.
In Videoclip Nummer Zwei – zu der irrwitzigen Pophymne „Hard To Explain“ – bastelte der Bruder von Sofia Coppola eine dreiminütige Bildmontage, die den euphorischen Rausch von Casablancas Song wunderbar wiedergab:
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Die Stärke von „Is This It“ liegt aber auch in den Songs, die keine Singles wurden. Für jedes „Someday“ kann man eben auch noch ein „Trying Your Luck“ oder ein „Take It Or Leave It“ entdecken, die den beinahe zu Tode gespielten Killersongs der Strokes in nichts nachstehen.
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„Is This It“ war’s tatsächlich – das perfekte Debütalbum. Um Greil Marcus zu paraphrasieren: Mit ihm war die Welt am Mittwoch nicht mehr dieselbe wie am Dienstag.
Es muss die Hölle sein, so etwas mit Anfang 20 zu vollbringen, wissend, dass man niemals besser werden wird als in diesem Moment. Jules Casablancas ist das anscheinend auch bewusst: insgesamt hat der gute Mann gerade einmal 38 Songs für die Strokes in den folgenden neun Jahren geschrieben. Der laziest man in rock. Andererseits hatte Casablancas auch eine so hohe interne Qualitätskontrolle, dass bis zur Veröffentlichung des dritten Albums kein einziger auch nur mittelmäßiger Song das Strokes-Haus verlassen hatte. Weniger ist mehr, auch hier. (Christian Ihle)
Das dachten damals die anderen: Alben des Jahres 2001
in der Welt:
* NME: The Strokes – Is This It
* Pitchfork: The Microphones – The Glow, Pt. Two
in Deutschland:
* Spex: The Strokes – Is This It
* Intro: The Strokes – Is This It
* MusikExpress: Travis – The Invisible Band (The Strokes auf Platz 2)
* Rolling Stone: Pulp – We Love Life (The Strokes auf Platz 2)
* Visions: System Of A Down – Toxicity (The Strokes auf Platz 2)