von 06.06.2011

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Die Schwarmintelligenz, also die Weisheit der Masse, ist eng verknüpft mit dem Internet: Viele Webseiten basieren und funktionieren auf Basis dieser Idee (z.B. Twitter). Das Credo: Viele wissen mehr, als ein Einzelner.

Ein Forscherteam von der ETH Zürich hat nun die Mechanismen der Schwarmintelligenz genauer unter die Lupe genommen und dabei eine interessante Entdeckung gemacht: Die Schwarmintelligenz funktioniert nur, wenn die einzelnen Teilnehmer nicht wissen, was die anderen „denken“. Dann schlägt diese nämlich schnell in eine „Schwarmdummheit“ um (Spiegel online).

Laut dem Leiter der Forschungsgruppe, Dirk Helbing, passt ein Einzelner intuitiv seine Antwort an die Antworten der anderen Menschen an, sofern er weiß, was die anderen Teilnehmer geantwortet haben. Das wiederum hat aber äußerst negative Auswirkungen auf das Ergebnis. Die Weisheit der Vielen funktioniert laut dem Forscher Team der ETH Zürich also nur, wenn die Ergebnisse der anderen nicht für einen Einzelnen einsehbar sind.

Kann man aus diesem Ergebnis auch Rückschlüsse auf das Crowdfunding ziehen? Während bei der Schwarmintelligenz  das Wissen der Community im Mittelpunkt steht, so kommt bei der Schwarmfinanzierung, dem Crowdfunding, das Geld der Masse zum Einsatz. Fakt ist, dass auf allen gängigen Crowdfunding-Plattformen, sehr wohl einsehbar ist, wie viel die Menschen bereits eingezahlt haben. Das ist sogar ein wesentlicher Bestandteil des Crowdfunding. Klickt man sich durch einzelne Projekte so sieht man meist auf den ersten Blick (bei pling.de rechts oben) wie viele Menschen bereits ein Projekt unterstützt haben und welche Summen bereits zusammen gekommen sind. Zwar kann man nicht einsehen, mit welchem Betrag ein Einzelner tatsächlich unterstütz hat, jedoch lässt sich rasch ein Durchschnitt ermitteln. Laut der Forschergruppe sind die besten Ergebnisse die, die am Anfang abgegeben wurde, also zu dem Zeitpunkt, als die Teilnehmer noch nicht wussten, welche Antworten die anderen Teilnehmer gaben. Münzt man das Ergebnis von der ETH Zürich auf das Crowdfunding um (und insbesondere auf die Tatsache, dass es sichtbar ist, welche Summe bereits eingesammelt wurde), so müsste dies negative Auswirkungen auf die finale Summe eines Projektes haben.

Diese Vermutung könnte tatsächlich stimmen, da durch das Wissen wie viel oder wie wenig andere bereits eingezahlt haben, psychologische Effekte entstehen: Wenn ein Unterstützer ein Projekt entdeckt, welches er grundsätzlich unterstützen würde, und dieses aber am nächsten Tag bereits ausläuft und zum Beispiel erst zu 10 Prozent finanziert wurde, so ist die Wahrscheinlichkeit eher gering, dass er dieses noch unterstützt. Denn er weiß, sein Beitrag würde „sowieso nichts mehr ändern“. Würde er aber in diesem Fall nicht sehen, dass erst 10 Prozent finanziert sind, würde er vermutlich das Projekt noch unterstützen.

Doch das Wissen, wie viel bereits eingezahlt wurde, kann definitiv auch positive Effekte haben. Auf der Crowdfunding-Seite, pling.de wurde zum Beispiel das Projekt „Saber Rider“ im Frühjahr 2011 online gestellt. Nach circa 12 Tagen waren die von Projekt-Gründer, Chris Strauss, gewünschten 10.000 Euro bereits eingesammelt. Die Sorge, dass die Menschen sein Projekt nicht weiter unterstützen würden, da jeder ja sehen konnte, dass es bereits zu 100 Prozent finanziert war, war absolut unberechtigt. „Saber Rider“ wurde sogar weit überfinanziert. Und am Ende kamen 15.490 Euro zusammen, sprich eine Überfinanzierung mit 155 Prozent. Auch als potenzielle Unterstützer sahen, dass es bereits finanziert war, hatte dies anscheinend nichts an ihrem Willen geändert, das Projekt weiterhin zu unterstützen.

Beim Crowdfunding dürfte der vom Zürcher Forscher-Team beschriebene Effekt nur bedingt wirken. Negativ, wenn so gut wie kein Geld in ein Projekt gesteckt wurde. Und positiv, wenn die Menschen sehen, dass andere bereits beachtliche Summen eingezahlt haben.

Nichts desto trotz, wäre es spannend ein Projekt zu starten, bei dem die Menschen nicht sehen, wie viel bereits eingezahlt wurde, sondern nur ein konkretes End-Datum genannt wird. Welche Auswirkungen dies auf das Crowdfunding haben könnte, könnte Bestandteil einer äußerst spannenden Studie werden.

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