vonsaveourseeds 11.02.2009

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Lieben Sie Verschwörungstheorien? Dann dürfen Sie sich das Buch „Mit Gift und Genen – wie der Biotech-Konzern Monsanto unsere Welt verändert“ auf keinen Fall entgehen lassen. Aber Vorsicht – Was Sie auf 420 Seiten erwartet sind nichts als Fakten, Fakten, Fakten.

Vier Jahre lang hat die französische Bauerstochter und Dokumentarfilmerin Marie-Monique Robin sich durch die Geschichte und die Welt des amerikanischen Chemie- und Saatgut-Multis Monsanto gewühlt, der heute vor allem für seine Gentechnik Produkte berühmt ist. Tage und Nächte verbrachte sie im Internet bevor sie sich auf die Spuren des Konzerns in der wirklichen Welt machte. In den USA, Kanada, Europa, Argentinien, Brasilien, Paraguay, Mexico und Indien interviewte sie Beteiligte aller Seiten. Nur Monsanto selbst verweigerte ihr standhaft jedes Interview.
Der für Arte und den WDR gedrehte gleichnamige Dokumentarfilm, den Robin von dieser Reise durch Monsantos Welt mit nach Hause brachte, gehört zu den erfolgreichsten des vergangenen Jahres.
Jetzt hat sie das Buch zum Film vorgelegt. Endlich kann sie hier schwarz auf weiss vieles belegen, was in einem Film nur anzudeuten ist, endlich all die Details, Beweise und Geschichten vorstellen, die auch in einem 100 Minuten-Epos nicht mehr unterzubringen sind. 25 Seiten umfassen allein die Quellenangaben. Es sprudelt förmlich aus ihr heraus. Deutlich spürt der Leser den gewaltigen Druck, die schiere Empörung, zuweilen noch immer die Verblüffung, dass das wirklich alles wahr ist.
Ihre Reise beginnt in Anniston, Alabama. Im Jahre 1929 nimmt hier die Swann Chemical Company die Produktion der Allzweck-Chemikalie PCB auf. Sechs Jahre später wird das Werk von John Francis Queen aus St. Louis übernommen, der bisher sein Geld mit Saccharin und Aspirin verdiente und die Firma auf den Namen seiner Frau „Monsanto“ getauft hatte. PCBs, Polychlorierte Biphenyle, finden sich heute im Fett von Robben und Eisbären am Nordpol und von Pinguinen in der Antarktis – und auch in Ihrem Fettgewebe ist mit hoher Wahrscheinlichkeit dieser weltweite Gruß der Chlorchemie nachweisbar. PCBs sind schon in geringen Dosen krebserregend und in höheren Dosen schwer toxisch. Diese toxische Wirkung war Monsanto seit dem Jahre 1937 bekannt. Doch erst fünfundvierzig Jahre später wird die PCB-Produktion endgültig verboten. Weitere 30 Jahre später, im Februar 2002 spricht ein Gericht Monsanto schuldig, „das Stadtgebiet von Anniston und das Blut seiner Bevölkerung mit PCB verseucht zu haben“. Zwei weitere Jahre später bietet das Unternehmen den Geschädigten schließlich 600 Millionen Dollar Entschädigung an und stellt weitere 100 Millionen für die Entseuchung von Anniston zur Verfügung.
Doch es war nicht allein PCB mit dem das Unternehmen wissentlich seine Arbeiter, Kunden, ganze Gemeinden und die Umwelt verseuchte. Nach dem gleichen Muster folgten Dioxin, DDT und Agent Orange.
Marie-Monique Robin hat die Opfer besucht und ihren langen Leidensweg nachgezeichnet. Sie hat sich durch die Akten gearbeitet, durch 70 Jahre Vertuschung, Verleugnung, Einschüchterung, Fälschung und Betrug. Minutiös beschreibt sie gekaufte, aber auch verfolgte Wissenschaftler und Beamte, skrupellose aber auch mutige Rechtsanwälte und – man kann es nicht anders sagen – eine Unternehmenskultur der Menschenverachtung.
Vor diesem Hintergrund verfolgt sie dann die jüngere Erfolgsgeschichte des weltweit meistverkauften Total-Herbizides „Roundup“. Auch sein Wirkstoff Glyphosat und die in dem Pestizid eingesetzten, teilweise geheim gehaltenen Zusatzstoffe sind keineswegs so harmlos, wie Monsanto dies in Zeitungsanzeigen und Werbespots behauptete, ehe ihm gerichtlich Begriffe wie „biologisch abbaubar“ und „unschädlich“ verboten wurden. Wie schon bei Dioxin und PCB kommen gefälschte Labortests ans Tageslicht, werden wissenschaftliche Untersuchen publiziert, die Roundup als Zellgift und möglichen Krebsauslöser identifizieren, seine Giftigkeit für Wasserlebewesen belegen.
Dann endlich ist die Autorin beim eigentlichen Thema ihres Buches – dem Gentechnik-Konzern Monsanto, der sich innerhalb von 20 Jahren durch internationale Aufkäufe zum größten Saatgut-Hersteller der Welt mausert und unter dem Motto „food – health – hope“ als „neues“ Landwirtschaftsunternehmen präsentiert. Über 90 Prozent des weltweit verkauften Gentechnik-Saatgutes ist von Monsanto patentiert. Rund zwei Drittel dieses Saatgutes ist gegen „Roundup“ resistent.
Alles begann damit, dass vier junge Wissenschaftler des Konzerns 1987 aus Bakterien auf den Abraumhalden seiner Pestizid-Produktion ein Resistenz-Gen gegen „Roundup“ isolierten und dieses anschließend mit einer sogenannten Gen-Kanone ins Erbgut von Sojabohnen übertragen.
Einer dieser Wissenschaftler und spätere Vize-Präsidenten des Unternehmens, Rob Horsch, leitet heute die Landwirtschaftsabteilung der Bill and Melinda Gates Foundation und deren karitatives Programm zur Versorgung Afrikas mit Hochleistungs-Saatgut, Dünger und Pestiziden. Erklärtes Ziel seines damaligen Chefs Robert Shapiro war es, Monsanto zum „Microsoft der Landwirtschaft“ zu machen.

Dafür bedurfte es freilich nicht nur der Gentechniker, sondern auch einer Phalanx von Angestellten, die in führenden Positionen der amerikanischen Lebensmittel-Behörde FDA und des Umweltamtes EPA, in den Stäben der Präsidenten Reagan, Bush und Clinton für geeignete Gesetze und Vorschriften sorgten. Das System der „revolving doors“, der Drehtüren zwischen Unternehmen und Politik, das in Washington weit verbreitet ist, hat Monsanto zu wahrer Meisterschaft getrieben und Marie-Monique Robin verfolgt sie alle.
Detailliert beschreibt sie, wie Monsanto selbst die US-Verordnungen zur Zulassung von Gentechnik-Produkten formulierte, die dann von seinen ehemaligen Mitarbeitern in den Behörden umgesetzt wurden. Wohl aus diesem Grund unterscheiden sich die amerikanischen Gentechnik-Gesetze gravierend von denen in Europa, Asien und Australien. Gemeinsam ist den Zulassungsverfahren allerdings, dass die Risikobewertung der Gentechnik-Pflanzen ausschließlich auf Tests und Untersuchungen der Unternehmen selbst beruhen. Beängstigend.
Kaum einen Skandal der jüngeren Gentechnik-Geschichte läßt Robin aus, kaum ein Argument, das gegen den Einsatz der Gentechnik auf dem Acker spricht, hat sie undokumentiert gelassen. Und auch die Niederlagen, die Monsanto immer wieder einstecken muß, beschreibt die Autorin mit unverholenem Genuß.
The big picture, das strategische Bild, die wirtschaftlichen Zusammenhänge werden von der Fülle der Details allerdings zuweilen erdrückt. Zudem wird die Faktendichte des Textes, der nicht zuletzt aus rechtlichen Gründen, gut zur Hälfte aus Zitaten besteht, von der Empörung der Autorin und von reisserischen Überschriften wie „Die große Intrige“ oder „Saat des Selbstmords“ unnötig konterkariert.
Es ist kein Vergnügen, dieses fast enzyklopädische Werk zu lesen: Das Sujet ist deprimierend und die Sprache der Dokumentarin erleichtert selten die Aufnahme der schweren Kost. Dennoch gibt es kein vergleichbares Werk über den Weltkonzern Monsanto. Ihr Buch ist also in des Wortes voller Bedeutung eine Pflichtlektüre.
Es gehören ein guter Anwalt, Zähigkeit und Mut, vielleicht sogar etwas Besessenheit dazu, ein solches Buch zu schreiben.

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