vonDetlef Kuhlbrodt 07.01.2009

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In die Mittenwalder Straße hatte jemand mehrmals “1984” hingeschrieben.

Eine kleine Kampagne gegen den Überwachungsstaat.

Das bringt mich auch wieder auf David Bowie zum Letzten. Ich war ganz schön erleichtert, als die beiden David-Bowie-Artikel am Montag in der “taz” waren. Den ersten hatte ich irgendwann im Juli oder August angefangen, im September fast fertig gehabt; irgendwann völlig genervt eigentlich ad acta gelegt; dann hatte ich mit Tobi, dem Popredakteur, noch mal gesprochen, bißchen redigiert, es sah ganz okay; und vor allem das Gefühl: endlich ist das weg, juchhu!

Dann Tobias Rüther, “Helden”; vielleicht könnte es ja für irgendjemanden auch interessant sein, die Notizen zu diesem Artikel und Bowie, zu lesen, dachte ich. Ich fand das interesssant, man macht sich so ein diffuses Feld an Notizen, in denen viel mehr angetippt ist, als im Artikel dann später drin steht, was aber ungeordnet quatsch, noch nicht richtig formuliert, chaotisch und nur für wenige vermutlich nachvollziehbar ist.

Der Artikel, die Kritik, in der Zeitung ist dann für mehr Leute nachvollziehbar und verständlich; es steht aber viel weniger drin auch aus Platzgründen und ist oberflächlicher.

Wenn ich mir das auch überleg. Anfang der 80er hatte man tatsächlich noch ehrfürchtig im “Anderen Ufer” gesessen. In der Restaura der beiden exzentrischen Helden. (Das “Andere Ufer” hatte in dieser Zeit glaube ich angefangen, sich ungefähr 40mal im Jahr umzuziehen, die Wände neu zu streichen, ganz andere Bilder da hinzuhängen; als wäre es völlig hysterisiert noch davon gewesen, dass hier DAVID BOWIE ab und zu mal oder öfter, gewesen war.

Ich war ja tatsächlich mit dem Bowie-Stück “A New Career In A New Town” (Low) 1984 nach Berlin gekommen. (Und war am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft auch mit einigen Bowie-isten befreundet usw.)

In den 90ern gab es wohl auch welche, die mit “First We Take Manhattan” nach Berlin gekommen.

Ach so, gut, hier die Notizen zu dem Artikel über das Buch von Florian Rüther:

Bowie in Berlin; , Florian Rüther

Zweimal war Berlin Hauptstadt des Pop. In den zwei Jahren, als David Bowie hier mit Iggy Pop wohnte und in den 90ern, als Berlin Technohauptstadt war.

Als Obama hier seine Rede hielt, lief im Vorprogramm “Let’s Dance”

In dem Sinne wie die Kulturwissenschaften eine Erzählung schreiben, in der das einzelne Werk auf alle möglichen anderen verweist; der Künstler trifft den und den un im Nachhinein ist alles sinnvoll.

Es richtet sich ebenso an ein Publikum, wie an Kollegen.

Das tun viele geisteswissenschaftlichen Werke ja auch; Untersuchungen über Kant

viel mehr als ein Buch, ist Popmusik Faktoren von aussen unterworfen.
Finanziellen Zwängen.

Der Künstler braucht einen guten Produzenten. (“Nile Rogers” bei Let’s Dance – unglaublich, dass er auch die missglückte Platte “Tonight” produzierte.

Sprechende, filmreife Zitate, die fast trashig lingen: “Einen Monat Zeit mit David Bowie und Brian Eno auf den Kopf zu hauen, heisst keinen Monat Zeit auf den Kopf zu hauen”, sagte Phil Spector.

/auf Alice Cooper könnte man noch einmal verweisen. Bei Dussmann gab es kurz vor Weihnachten einen Alice-Cooper-Bildband. Von Schwarzkopf. Für vier Euro oder sechs.

Mythen.

Das “Berliner Triptychon”.

Die Symhoniker spielen “Us and them” von Pink Floyd.

“Manche Musik kommt so beladen mit Absichten daher, dass man sie vor lauter Absichten gar nicht mehr hören kann” (Eno, 66)

“Wir müssen eine Musik schaffen, die wie Mobiliar ist – eine Musik also, die aufgeht in den Geräuschen der Umgebung und sie einbezieht”, so John Cage.

(Ursprungsmythen: Angestiftet dazu wird Eno an einem wunderschönen Sonntagmorgen Mitte der siebziger Jahre am Flughafen Köln/Bonn.” (67)

Low gehört zu den Bowie-Platten, für die man eine ziemlich gute Anlage braucht, um zu adequat zu hören, schrieb Dings in seinem Buch …..

Unter dem Banner des Liedes “A New Career In A New Town” war ich nach Berlin gezogen.

Vieles hatte man damals auch ähnlich wahrgenommen. Einen vergisst er komischerweise oder ihm ist die Verbindung nicht klar: Scott Walker!

Man kann den Bowie vor Low nicht mit Robbie Williams vergleichen.

… “Wohnungsnot”

mit den Schlangen bei der Morgenpost am Samstag – war doch bis in die 80er so …

thin white duke – ach, weil er sich die meiste Zeit von Koks und Milch ernährte.

In Berlin trug er Holzfällerhemden!

Kleine Anekdoten – wie Bowie zehn Minuten lang einem Dealer, der ihn betrogen hatte, in den Wagen hineinfuhr

Das Buch hat den kleinen Nachteil, dass Rüther sich das erarbeiten musste

Zuwenig Emotion, zuviel Bildungsbürgertum.

Er läßt Bowie auf dem Fahrrad von seiner Wohnung in der Hauptstraße 155 zu den Hansa-Studios fahren und erklärt an hand diesen Weges die Stadt, um dann auf den berühmten Timothy Garton Ash zu kommen, der zur gleicher Zeit auch in Berlin war, den Bowie also hätte treffen können (die rhetorische Frage “Ob sich die beiden jungen Engländer …  wohl je in Berlin über den Weg gelaufen sind?”, um dann mit Ash an Bowie stundenlang weiterzumachen.

Cut & Paste Passagen aus eigenen Zeitungsartikeln über berliner Architektur.

Vielleicht lief der Vertrag auf über 200 Seiten, die er zu liefern hatte. Und er hat diese ellenlangen Passagen nicht aus Eitelkeit und Bildungsangeberei in das Buch reingetan, um zu zeigen, wie belesen er ist und dass er im Studium aufgepasst hat, sondern aus Pflichtgefühl und schierer Not, weil ihm eigentlich nichts mehr eingefallen war und er des Themas dann auch irgendwie müde geworden war.

Er setzt das Zitat (“Ich bin schwul”, von 1972) (das man erläutern kann, bi etc.), vergißt aber das nicht weniger skandalöse Gegenzitat.

zuviel Bildung

.. der Exkurs mit Cord .. ihm ist nicht klar, worauf er hinauswill. Irgendwie hätte man Bowie und das Berlin dieser Zeit mit Foucault irgendwie … also, wenn er schon damit anfängt. Das schwermütig kitschige Posing einiger Stücke; “Art Decade” oder “Warszawa”.Entspricht doch auch dem völlig pathetischen, existenzromantischen Ton des ersten Bandes von “Sexualität & Wahrheit”.

Eine Schande, dass Cord und ich nicht unser 68er-Gespräch hingekriegt hatten. 2007 hatten wir oft darüber gesprochen.
Sich einen Nachmittag mal hinsetzen, reden, alles aufnehmen und dann gucken, wie’s ist; sich noch mal treffen, um mündlich Punkte, die undeutlich waren, besser zu erläutern usw.
Es hatte auch um Bowie, Foucault, Theweleit, die siebziger und die achtziger Jahre gehen sollen, und dann logischerweise auch um die neunziger Jahre, die die 60er Jahre irgendwie spiegelten, also Techno, Drogen, Tanzen.

Vor zehn Jahren, bei diesem komischen, rührend durchgeknallten 68er Treffen im Tempodrom waren im ursprünglichen Plan folgende, die Welt voran treibende Gruppen aufgelistet, deren Repräsentanten auftreten sollen: Langhans und seine Haremsdamen. Die Haschrebellen. Irgendwelche Derwische. Nina Hagen glaube ich auch. Und eben auch Christiane F., die auch für irgendwas stehen sollte und später absagte. … West-Bam und Monika Kruse hatten dann auf der 68er-Party im HdKdW aufgelegt.

Der Bowieismus auf der Seite der Guten.

Die Ambivalenz des Dandys. Proseminarthema.

“Wie Bowie hat sich Berlin an sich selbst berauscht und aus Größenwahn ruiniert.”

das Nazibootleg von Bowie

seinen 30sten Geburtstag feiert er in Berlin

Viele dieser Zitate sind aber auch schön: “Alles, was je schrieb, in Liebe und Hass”, gelte es als “immerfort mitlebend zu behandeln!” hätte Arno Schmidt mal geschrieben. Aber voll 50er Jahre ud Schwarz-Weiss-Fernsehen

eine Rechtfertigung der Popmusik vor den anderen Künsten als ästhetisches Gebilde … man reibt sich die Augen … wem erzählt er denn sowas?

Was wäre gewesen, wenn  Michael Rother oder Dinger von Neu an Heroes mitgearbeitet hätten …
was für ein schönes Werk ging der Menschheit so verloren.

Trashsätze, BZ: “Bis heute kommt ihr  nur zögerlich der Namen des Mannes über die Lippen, mit dem sie 1977 eine Affäre hatte.”

– Gespräche über Bowie, Eno, Glamrock, was der eine, was der andere verkörpere, wie ihre Zusammenarbeit zu bewerten sei, darüber hatten wir uns oft auch am Institut unterhalten, ausgetauscht.

Roland Barthes zu zitieren, kommt einem logischer vor.

der “neurotisch-erwachsene Kunstrocksong für Leute mit Geschmack” (völlig einleuchtend)

Die Texte von “Outside” sollen Tagebucheinträge Bowies enthalten aus der Zeit, in der er hier gewohnt hatte – super! (wie schrieb der denn Tagebuch, Burrougshquatsch)
Die Sache mit der V2  – hatte ich ganz vergessen! Pynchon!

Bowiefans galten bei anderen aber sicher auch als nerdish!
Bowiefans waren Minderheit

Stylish, verzweifelt, so-tun-als-ob, verträumt, sexuell verwirrt.

In diesem Sommer 1981 hatte mich ein upper-class-Pärchen mitgenommen. Die sahen so upperclassmäßig und gestylt aus, wie sonst nur im Fernsehen. Schick, arrogant, schön. Wir sprachen über Bowie. Beide waren richtige Bowiefans. Wir fuhren da in dieser Nacht und hörten Young Americans. Ich hatte geschlafen. Sie ließen mich in Marseille raus, vielleicht auch Bordeaux oder Bayonne. Sie gingen in ihr Hotel und ich legte mich dann draussen schlafen.

Rüther wirkt irgendwie distanziert, das Buch manchmal wie eine Fleissarbeit; manche Absätze wirken hineinkopiert; Beschimpfung des Potsdamer Platzes. Musste ich auch noch mal sagen. (S. 99)

Bildungsbürgerlich: um den Begriff “Ungleichzeitigkeit” zu erklären, muss man nicht unbedingt einen Exkurs über Ernst Bloch einfügen. (Kennt sich bei Bloch halt besser aus als bei Andy Warhol!)

Space Oddity war in der ersten Veröffentlichung kein Superhit, sondern erst Anfang der 80er, als es auf einer Maxi wieder veröffentlicht wurde, Nummer 1.
“the record that killed off the sixties” wurde über Ziggy geschrieben. Auf youtube stehen die Clips unter dem Titel: “the concert, where he killed Ziggy”
das Operettenhafte. Das Depressive.
50 Kilo wog er damals.
Das Cover des Albums ist gespenstisch.
“Cracked actor” (der Film; youtube)
“Er ist kein Rock’n’Roller – er porträtiert seine Songs eher.”

Bowies Expressionismus sei schizophren – man könnte auch sagen depressiv und weinerlich

Wir arbeiteten auf dem Dorf in einer Gärtnerei. Es gab fünf Mark in der Stunde. Es war heiss und ein toller Frühling. In den zwei Pausen rauchten wir ein bißchen Gras von hier, hörten “Ziggy Stardust” mit einem billigen Radiorecorder und schliefen nachmittags manchmal im Gras, wenn uns danach war. Tage des Glück.

Später waren wir achtzehn oder neunzehn. Manchmal saßen wir in dem kleinen Zimmer mit dem abgeschrägten Dach, rauchten Pfeifen, ein paar Zigaretten, tranken kannenweise grünen oder braunen Tee und hörten immer auch Bowie. “Stage”. Die pathetische Seite. Kerzen an und bitte still sein und zuhören jetzt.

Man spielte den Freunden seine Platten vor, das bin ich.
Oder das sind wir.

Die Frauen, die auf Bowie standen.

Jahrelang war man mit Bowie aufgestanden, hatte bevor man zur Schule ging am Schreibtisch gesessen, Tee getrunken, eine Zigarette geraucht. Und “The Man who sold the world” gehört und “After All”.  Und dann zur Schule gerast.

der Soundtrack zu “The Man Who Fell To Earth” war gescheitert.

Bowie stellt “Heroes” in Marc Bolans Show vor. Bolan war gut gelaunt. Endlich hatte auch er mal wieder einen Hit: “Celebrate Summer”. Eine Woche später stirbt Bolan.

Brücke. Ernst Ludwig Kirchner.

“The Hinterland, the Hinterland, we’re gonna sail to the Hinterland” (“Red Sails”, “Lodger”)

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