vondorothea hahn 03.03.2010

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„Guten Tag!“, sagt der uniformierte Mann auf Deutsch. Er wendet seinen Blick von den drei Warteschlangen in dem Mobiltelefongeschäft ab. Er macht zwei Schritt aus seinem Wachposten in dem Türrahmen heraus. Und strahlt uns an, als hätten wir ihm ein Geschenk überreicht. In amerikanischem Englisch fährt er fort: „ich war in Deutschland“.

An den Namen des Ortes, an dem er stationiert war, kann er sich nicht erinnern. Auch das Jahr hat er nicht mehr im Kopf. Und von der Sprache hat er nur die Begrüßung behalten. Aber es ist ihm wichtig, uns mitzuteilen, dass es „eine gute Zeit“  war.

Der Türsteher war der zweite Unbekannte in Washington, der mir etwas Nettes über Deutschland sagen wollte. Der erste hieß Muñoz, so stand es auf seinem Namenssticker. Er schwärmte von sieben Jahren als Besatzer, und zählte die Namen von deutschen Städten mit US-Basen auf, während er in meinem Pass blätterte.

Seither bin ich in Washington zahlreichen Leuten begegnet, denen Deutschland am Herzen liegt. Und die es mir mitteilen. Im Bus sagt ein schwarzer Mann, wie gut es ihm in Kaiserslautern ergangen sei. Beim Sport stellt sich ein Pensionär neben mein Laufband und plaudert von seinen schwäbischen Vorfahren. Ein Klempner unterbricht seine Arbeit an meiner Dusche wegen seiner Ur-Oma. Die sei aus einem Ort gekommen, der  „irgendetwas mit Fisch“ im Namen trage.  Damit sind wir schon beinahe Cousins.

So viel freundliches Interesse an Deutschland ist ungewohnt. Sowohl für mich, als auch für den Franzosen, mit dem ich in den USA unterwegs bin. Wir sprechen abwechselnd Deutsch und Französisch miteinander. Aber auf das Französische kommen kaum Reaktionen.

Beim Besuch im Immigrationsmuseum auf der Insel Ellis Island in New York helfen Zahlen aus der jüngsten Volksbefragung weiter. 32, 5 Millionen US-Amerikaner geben an, dass sie deutsche Vorfahren haben. Das macht sie zur größten der verschiedenen Einwanderergruppe. Noch vor den 20,5  Millionen irischen und den 19 Millionen englischen Nachfahren. Demgegenüber sind die 5,7 Millionen US-AmerikanerInnen mit französischen Vorfahren ein überschaubarerer Kreis.

Auf der Straße, wenn wir unsere Köpfe über einen Stadtplan halten, weist uns ab und an jemand auf Französisch den Weg. Meist sind es junge AfrikanerInnen. Sie kommen aus Kamerun, Senegal oder Mali und sie sprechen fliessend Französisch. Vor zwanzig Jahren, als das noch ging, wären sie vielleicht nach Frankreich emigriert. Heute, in Washington, haben sie keinen Anlaß, über Frankreich zu sprechen.

Auch in dem großen Wohnkomplex, in dem ich einziehe, kommt das Französische kurz zur Geltung. Meine Vermieterin hat mich den Nachbarn als „stylish french lady“ angekündigt. Als ich davon erfahre, protestiere ich.  „Ach was“, winkt sie ab, „das klingt einfach besser.“

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