Die 27-jährige Politikwissenschaftlerin Anna Mauersberger hat den heutigen Praktikantenstreik mitorganisiert. Sie hat acht Praktika hinter sich, das letzte davon war bei der taz und endete erst vor wenigen Wochen. Inzwischen hat sie einen Job, nimmt sich aber frei für die Demonstration in Berlin.
Frau Mauersberger, drei Jahre sind seit dem ersten Streik vergangen, damals standen in Berlin 80 Praktikanten auf der Straße. Werden es am Freitag mehr?
Schwer zu sagen, wenn in Berlin 100 Leute zusammenkommen, bin ich schon zufrieden. Wie viele in anderen Städten auf die Straße gehen und sich der Arbeit verweigern, müssen wir sehen. Wir haben den Streik über Twitter, Facebook und StudiVZ bekannt gemacht, auch die DGB-Jugend, Ver.di, die GEW und fairwork e.V. rühren für uns die Streiktrommel. Aber als Praktikant ist es schwer zu streiken. Wir sind kaum vernetzt, ich weiß nichts vom anderen. Mit dem Streik brechen wir das hoffentlich etwas auf.
Wofür streikt ihr?
Wir fordern, dass vor allem Praktikanten, die die Uni absolviert haben bzw. mit ihrer Ausbildung fertig sind, vernünftig und verbindlich entlohnt werden. Je nach Stadt und Lebenshaltungskosten sollten es zwischen 400 und 600 Euro sein. Das ist nicht viel, aber wenigstens etwas. Wir brauchen auch einen eigenen, anerkannten Status. Bei Krankenkassen, ermäßigten Eintritten ins Kino, ins Theater oder Schwimmbad kommen wir nicht vor. Wir sind eine verleugnete Gesellschaftsschicht.
Praktika produzieren sozialen Ausschluss?
So wie Praktika geregelt sind, nämlich kaum, schreiben sie nach Studium oder Ausbildung soziale Ungleichheit fort. Nur Leute mit Geld oder Eltern, die sie unterstützen, können ein Praktikum machen – mehrere davon werden aber heute wie selbstverständlich im Lebenslauf erwartet.
Das sind Zwänge, denen man schwer begegnen kann. Stoßt ihr mit euren Forderungen bei anderen Praktikanten auf Sympathie?
Manche sagen einfach: „Was wollt ihr denn, man kann doch Berufserfahrung sammeln, und man braucht Praktika.“ Das stimmt, darum geht es aber gar nicht. Wir machen häufig Arbeit, die sonst normal entlohnte Beschäftigte leisten würden – also soll man diese Arbeit bezahlen.
2006 haben in Deutschland Praktikanten zeitgleich mit der sogenannten génération précaire in Frankreich gestreikt. Was kann man grenzübergreifend voneinander lernen?
Der Streik in Frankreich war bahnbrechend, er hat dort eine Gesetzesänderung bewirkt. Jetzt hat man in Frankreich nach drei Monaten Praktikum einen Anspruch auf eine minimale Vergütung von 398 Euro. Von der Mobilisierungsfähigkeit der dortigen Praktikanten kann man also viel lernen. Auch ein Blick nach England lohnt: Dort gibt es für Hochschulabsolventen gar keine Praktika. Der dortige Arbeitsmarkt steht jungen Absolventen ganz anders offen. Daran sollte man sich ein Beispiel nehmen. Natürlich müssen Berufsanfänger angelernt werden. Aber vor 15 Jahren wurde man dafür noch nicht regelmäßig in einem Praktikum geparkt.
Das Interview führte Eva Völpel, es erscheint in der heutigen taz-Ausgabe
Siehe auch:
– Die acht Streik-Organisatoren
– Blog zum Streik
– Streikposten bei Facebook, StudiVZ und Twitter
– Beilage in der taz über den Streik (PDF)