vonEva C. Schweitzer 08.09.2009

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Heute beantworte ich die Frage, die ganz Deutschland am Herz zu liegen scheint: Warum ist die Bundeswehr eigentlich in Afghanistan? Und warum wirft sie dort Bomben und schießt auf Menschen?

Also, da stellen wir uns mal janz dumm: Am 11. September 2001, vor ziemlich genau acht Jahren, haben 19 meistenteils saudische Hijacker, angeführt von dem Ägpter Mohammed Atta und dem Libanesen Ziad Jarra, zwei Flugzeuge entführt und ins World Trade Center gejagt. Soweit die offizielle Darstellung, es gibt daran einige Zweifel — die kann sich heute jeder selber zusammengoogeln —, aber bleiben wir mal bei der offiziellen Version, um es nicht zu kompliziert zu machen.

Die Hijacker erhielten ihre Befehle von einem gewissen Osama bin Laden, der nierenkranke Sohn eines reichen saudischen Bauunternehmers. Und sie wurden — teilweise — in Afghanistan ausgebildet, auch anderswo, etwa in Florida, aber in Afghanistan waren die Taliban an der Macht. Das sind radikale Muslims, die aus den Mujahedin hervorgegangen sind, denen ihrerseits die Amerikaner geholfen haben, die Russen zu vertreiben …. naja, es soll ja nicht zu kompliziert werden. Deren Chef Mullah Omar hat damals (vermutlich) Osama Bin Laden Asyl geboten. Die Amerikaner stellten nach 9-11 den Taliban ein Ultimatum, alle beide auszuliefern, die lehnten das ab, daraufhin schickten die USA die Bomber. Mit ihren Verbündeten.

Leider schafften es Mullah Omar und Osama Bin Laden, irgendwie über die Höhlen von Tora Bora zu entkommen. Weil die Amerikaner aber nun schon mal da waren, und weil es da Pipelines zu beschützen und Al Qaeda-Trainingscamps auszuhebeln gilt, blieben sie auch gleich da. Und wir sitzen mit im Boot, weil wir über die NATO Verbündete der Amerikaner sind. Außerdem fahren unsere Autos auch nicht mit Wasser.

Inzwischen sind die Trainingscamps und vermutlich auch Mullah und Obama in Pakistan, aber da können die Amerikaner nicht einfach bombardieren, erstens geben die Pakis das nicht zu, zweitens ist das ein befreundetes Land, und drittens hat Pakistan die Atombombe. Also Afghanistan. Dazu kommt, das die amerikanische Linke den Afghanistankrieg unterstützt, hauptsächlich deshalb, weil sie gegen den Irakkrieg ist, aber nicht als Ansammlung von vaterlandslosen Weicheiern dastehen will und daher irgendeinen Krieg unterstützt. Außerdem fallen da hauptsächlich Ausländer und keine Amerikaner.

Da aber eine Pipeline kein richtiger Kriegsgrund ist — und die Sache mit dem Opium zu dubios, damit scheinen alle Seiten zu handeln — sind wir nun da, um die Rechte der Frauen und Mädchen zu schützen, die von den Taliban unter die Burka gezwungen wurden, und Schlimmeres.

Grundsätzlich ist dagegen auch nichts einzuwenden, nur: Wenn dies das Kriegsziel ist, müssten inzwischen sämtliche Mullahs tot sein, oder im Lager sitzen, alle Männer tragen die Burka und die Frauen besitzen alles Geld. Erstaunlicherweise habe ich in den letzten sieben Jahren kein einziges Foto gesehen, auf dem eine Afghanin ohne Burka zu sehen ist, von ein paar westlichen Frauen in unmittelbarer räumlicher Nähe von Karsai mal abgesehen. Es ist, als würden in Deutschland 1955 die Nürnberger Gesetze gelten und Juden dürften nicht auf Parkbänken sitzen, weil die Amerikaner alle Hände voll zu tun haben, mit verschiedenen Nachfolgeorganisationen der NSDAP, die sich alle heftig vom Mutterschiff distanzieren, zu verhandeln.

Und wir, um darauf zurückzukommen, sind dort aus Bündnistreue. Und wir schießen auf Menschen, weil, das tut man im Krieg. Sonst wär’s ja kein Krieg, sondern Ostereiersuchen im Park. Zwar haben wir so eine Art unausgesprochen Pakt mit den Amerikanern, dass wir unseren Brand Name hergeben, aber nicht kämpfen und demnach auch kein Blut vergießen, so ähnlich wie die Bewohner der Fidschi-Inseln im Irak. Nur: Anders als die Fidschis haben wir unglücklicherweise vergessen, dies den Amerikanern auch mitzuteilen. Nun fragen die sich mit wachsender Verzweifelung, wann wir zum Teufel endlich die Waffen-SS schicken.

Eine verfahrene Situation, denn die Amis sind sauer, weil wir nicht kämpfen, obwohl sie uns doch im Zweiten Weltkrieg gegen die Russen unterstützt haben, wir hingegen sind sauer, weil uns die Amis nicht vor Dankbarkeit die Füße küssen, weil wir doch ihnen zuliebe so tun, als kämpften wir. Um dies zu lösen, muss man erst herausfinden, was man will.  Wie wäre es, den Amerikanern zu sagen, dass der weitere Verbleib von Truppen von einer Volksabstimmung in Deutschland abhängig gemacht wird? Es geht ja, immerhin, um Demokratie.

Eva C. Schweitzer, Manhattan  Moments. Geschichten aus New York, erschienen bei Droemer-Knaur, Juni 2009, Taschenbuch, 9,95 €

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