vonChristian Ihle 11.11.2010

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Jens Friebe mag immer noch auf einem genuinen Indielabel veröffentlichen, hervorragend vernetzt ist er allemal. Zunächst als Autor für das Kölner Musikmagazin Intro tätig, konnte er seinen Plattenvertrag bei Alfred Hilsbergs ZickZack-Label der Legende nach durch persönliche Fürsprache Jochen Distelmeyers und dessen Weitergabe eines Demotapes an Hilsberg ergattern.

Friebes älterer Bruder Holm ist Mitglied der in Berlin und im Internet äußerst umtriebigen “Zentralen Intelligenz Agentur” (unter anderem Betreiber des Blogs “Riesenmaschine”), in deren Dunstkreis auch Jens Friebe immer mal wieder auftaucht. Auch Jens Friebe ist in der Zwischenzeit dank einer Sammlung von taz-Kolumnen zum Buchautor (“52 Wochenenden”) geworden, zudem als “fester Aushilfsschlagzeuger” bei der Berliner Band Britta.

friebe abändern

Bei soviel Nebentätigkeiten nimmt es nicht Wunder, dass die Abstände zwischen seinen Soloalben immer länger werden. Seit seinem letzten musikalischen Lebenszeichen unter eigenem Namen sind jetzt auch schon geschlagene drei Jahre vergangen. Lass mich Dein ,Plus Eins’ sein, Baby, tonight! singt Jens Friebe auf seinem nunmehr vierten Album und macht damit gleich klar: trotz des Albumtitels “Abändern” bleibt alles wie gehabt. Friebe arbeitet sich weiter mit Wort- und Wahnwitz an verschiedensten (pop-)kulturellen Codes ab. So, wie es ihm auf einem vorherigen Album gelungen ist, innerhalb zweier aufeinander folgender Songs die Ermordung von John F. Kennedy und das Schnapsfässchen eines Lawinenhundes zu thematisieren, schafft er dieses Mal das eben genannte “+1”-Gästelistenflehen als romantische Geste ebenso wie die Bezeichnung “Feinde der Konteremanzipation” zu verarbeiten, ohne über Reim und Metrik zu stolpern.

Friebe mag mit seinem Seitenscheitel, der schlaksigen Figur und seinen
weißen Hemden aussehen wie der Prototyp des deutschen Indiepoppers, aber im Herzen seines Songwritings verbergen sich Einflüsse, die weit über den beschränkten Horizont der hiesigen Indiezunft hinausgehen. Während man Jochen Distelmeyers späte Phase ungerechtfertigterweise als Schlager-nah rezipiert hatte, arbeitet Friebe in Tat und Wahrheit an einer zeitgemäßen Auflage von “leichter” Musik der 60er- und 70er- Jahre. Er orientiert sich dabei allerdings mehr an französischen Chansons als an der dumpfen “Hossa!”-Schlagerei der hiesigen Gegend. Dadurch ist Friebe so weit entfernt von der Klangästhetik des Deutschrock wie eine Flasche Chateau Lafitte von Altbier. Deshalb verwundert auch nicht, dass er – neben den offensichtlichen Hits wie “Theater” zum Auftakt des Albums – gerade in den zurückgenommenen Momenten zu sich selbst findet. Nie gelingt ihm das besser als bei dem Song “Alles über die Welt”, in dem alle augenzwinkernde Distanz vergessen ist und seine Band nur noch gedämpft zu hören ist, als spiele sie in einem Ballsaal, während der Sänger mit seiner Liebe im Freien steht und “Alles über die Welt / haben wir gewusst / haben wir vergessen / während einem Kuss” singt.

Das Frenetisch-Aufgeregte seiner alten Band Parka ist inzwischen bis auf den Refrain in “Verbotene Liebe” fast vollständig getilgt. “Abändern”
glänzt vor allem in seinen ruhigen Momenten. Nur der in erster Linie vom
Rhythmus getragene Song “Charles De Gaulle” bettelt geradezu um einen Remix.

Im Gegensatz zum makellosen Vorgängeralbum gelingt Friebe auf “Abändern” aber nicht jedes Lied. Tiefpunkt ist das in der Theorie amüsante, aber tatsächlich am Rande des Unanhörbaren entlang schrammende Vengaboys-Cover “Up & Down”. Hier gilt wie so oft bei offensichtlich in Trinklaune an Disko-Theken entstandenen Ideen: Es wäre besser, man hätte gleich so viel gesoffen, dass am nächsten Tag alles wieder vergessen ist. Doch ein Gutes muss das mp3-Zeitalter ja haben: man kann auch einen schlechten Friebe-Song löschen und sich so wieder ein rundum gelungenes Album erschaffen. (CHRISTIAN IHLE)

Anhören:
* Alles über die Welt
* Theater
* Königin im Dreck

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=MTT9pC-tW24[/youtube]

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