vonRahel 20.11.2021

Abseitsregeln

Poised between rage, punk and politics

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Verzweiflung, Ermüdung, inhaltslose Floskeln. Mit einem bitteren Ergebnis endete vor einigen Tagen die UN-Weltklimakonferenz in Glasgow. Dabei wäre ihr Ausgang doch so entscheidend im Kampf gegen die Klimakatastrophe gewesen. Anscheinend haben viele noch immer nicht begriffen, um was es bei der Klimakrise eigentlich geht: Hunderttausende von Toten jährlich (1) – ausgelöst allein durch die Klimakrise!

Doch trotz des nahezu vollständigen wissenschaftlichen Konsens über den menschengemachten Klimawandel, tummelt sich noch immer eine erschreckend hohe Zahl an Klimaleugner*innen auf Familienfeiern und auf Facebook. Ähnlich wie bei andern Verschwörungstheorien haben auch jene Menschen ganz eigene Erklärungen, warum sich die Erde erwärmt (oder eben auch nicht erwärmt). Es ist mir noch immer unerklärlich, warum die, die so versessen nach Erklärungen suchen, lieber der Klimaleugner-Organisation EIKE Glauben schenken (die sich übrigens aus rein privaten und intransparenten Spenden finanziert) als 99 % der Wissenschaftler*innen zu vertrauen. Eines steht auf jeden Fall fest: Klimaskepsis ist unter Schwurblern hip!

Und genau für diesen „Klimaskepsis-Trend“ ist Facebook mit verantwortlich. Schließlich finden sich auf der Plattform hunderttausende Beiträge, die die Klimakrise relativieren oder komplett leugnen. Sie werden TÄGLICH 1, 36 MILLIONEN Mal angeschaut. Das zeigt eine aktuelle Analyse der Organisation Stop Funding Heat in Kooperation mit dem Real Facebook Oversight Board (2). Die Verfasser*innen der Studie appellieren an die COP 26 Teilnehmenden sich mit der Verbreitung solcher Falschinformationen auseinanderzusetzen und fordern eine unabhängige Kontrollinstanz für Facebook.

Zwar hatte Mark Zuckerberg im April 2021 anerkannt, dass die Desinformation über den Klimawandel ein „großes Problem“ sei (3) und verkündet, dass Facebook dieses Problem angehen werde, viel getan hat sich seitdem aber nicht. So verweist Zuckerberg etwa auf das Climate Change Science Center. Dieses Zentrum soll gegen Falschinformation im Netz vorgehen, verzeichnet allerdings nur ganz wenige Besucher*innen und ist damit quasi wirkungslos. Außerdem zeigt die Analyse, dass Facebook nur 3,6 Prozent aller Falschinformationen zur Klimakrise abcheckt und der Großteil dieser Arbeit zudem auf englischsprachigen Inhalten basiert (4). Facebook ist somit schlecht ausgerüstet im Kampf gehen die Super-Desinformations-Spreader auf seiner Plattform.

Doch nun holt Zuckerberg unerwartet zu einem starken Schlag aus. Seine Lösung lautet, eine neue digitale Welt zu erschaffen! Anstatt sich um das Extremwetter der analogen Welt samt seinen Leugner*innen zu kümmern, erfindet Zuckerberg einfach ein ganz neues Universum: Das Metaversum. Es soll eine neue Dimension des Internets darstellen. In diesem Online-Raum sollen physische, erweiterte und virtuelle Realitäten zusammenkommen. Mark Zuckerberg sagt im Interview mit The Verge: „Die Idee ist, eine Art Internet der nächsten Ebene zu schaffen, die über unsere physische Welt gelegt wird“ (5).

In Zukunft sollen wir uns in der digitalen Welt mithilfe eines individuellen Avatars, also einem digitalen Abbild von uns selbst, bewegen. Und wie soll uns das vor der Klimakatastrophe bewahren? Zuckerberg argumentiert, dass wir dadurch unseren CO₂-Fußabdruck verringern würden, da wir uns bestimmte Produkte eben nicht mehr physisch-materiell, sondern ganz einfach als digitales Abbild kaufen können. Wir sollen also weiterhin fröhlich mit unseren aus Pixel generierten Autos durch das Metaversum fahren. Für solche Statussymbole entstehe im Metaversum eine ganz eigene Wirtschaft mit Kryptowährung, so die Idee. Sie mag vor allem Neoliberale begeistern: Wir können das Klima schützen und gleichzeitig am Kapitalismus festhalten! Zuckerbergs Vision ignoriert dabei, wie viel Energie, also Strom, eigentlich für diese digitale Utopie aufgewendet werden muss.

Das Videostreaming in einem alten Mobilfunknetz ist besonders schädlich für die Umwelt. Die CO₂-Emissionen könnten durch Datenübertragung mit 5G und durch öffentliche WLAN-Hotspots verringert werden (6). Dazu müsste aber erstmal die Digitalisierung in Deutschland vorankommen. Neben der Digitalisierung bleibt die Klimakrise eine der größten, wenn nicht die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts.

Das Metaversum ist darum nichts anderes als Eskapismus in seiner kapitalistischen Form. Es ist somit das moderne Opium des Volkes, oder wie Marx sagen würde: BURN YOUR DIGITAL DEVICES!

Quellen:

1) World Health Organization: https://www.who.int/heli/risks/climate/climatechange/en/
2) Stop Funding Heat: https://stopfundingheat.info/wp-content/uploads/2021/11/in-denial-v2.pdf
3) The Guardian: https://www.theguardian.com/technology/2021/sep/16/facebook-climate-change-misinformation
4) New York Times: https://www.nytimes.com/2021/10/23/technology/facebook-india-misinformation.html
5) The Verge: https://www.theverge.com/22588022/mark-zuckerberg-facebook-ceo-metaverse-interview
6) Netzpolitik.org: https://netzpolitik.org/2020/studie-zu-co2-emissionen-videostreaming-ist-am-umweltschaedlichsten-im-3g-netz/

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