Die Isla Dawson ist ein kalter, unwirtlicher Ort, hundert Kilometer südlich von Chiles südlichster Stadt Punta Arenas im Feuerland-Archipel gelegen. Unrühmliche Bekanntheit hat die große, aber praktisch unbewohnte Insel nach dem Putsch erlangt, als die Militärs hier ein Jahr lang politische Gefangene internierten und Zwangsarbeit verrichten ließen. Viele bedeutende Politiker der Unidad Popular waren darunter: José und Jaime Toha, Clodomiro Almeyda, Sergio Vuskovic.
Auch Sergio Bitar. Der damals noch ziemlich junge Mann, der für die christdemokratische Linksabspaltung Izquierda Cristiana in Allendes Kabinett gesessen hatte, schrieb später ein viel gelesenes Buch über seine Zeit auf Dawson: Isla 10. Bald werden seine Erinnerungen auf der großen Leinwand zu sehen sein: Der Regisseur Miguel Littín verfilmt gerade Isla 10 – mit junger Starbesetzung und an Originalschauplätzen.
Miguel Littín (Quelle: flickr)
Jetzt gab es freilich Ärger: Als Littín mit seiner internationalen Crew (es handelt sich um eine chilenisch-brasilianisch-spanische Koproduktion) Mitte September vom Dreh auf Dawson zurückkehrte, musste der Cineast im Mercurio lesen, dass die „ehemalige UP-Prominenz“ unzufrieden sei mit seiner Arbeit. Die Figur des heutigen Infrastrukturministers Bitar werde im Film maßlos überbewertet, kritisierten einige von dessen ehemaligen Leidensgenossen, die Littín in einer sehr frühen Phase ebenfalls konsultiert hatte. Auch hätten sich manche der dargestellten Vorkommnisse so nie zugetragen.
Der Filmemacher dementiert das alles, aber er weiß ja auch als einziger ziemlich genau, was im fertigen Film zu sehen sein wird und was nicht. Oder was er später noch schneidet. Littín, dessen Werke in Chile kaum bekannt sind, und der im Prinzip immer noch vom Ruhm seines Debüts El Chacal de Nahueltoro von 1969 zehrt, hat auch ein großes Ego: Dieser, sein Film werde „der Film über den Putsch“, sagte er kürzlich in einem Radiointerview: „der Film, den bis jetzt noch niemand gedreht hat“.
Trotzdem haben Littín und Bitar versucht, die Wogen zu glätten und die Kritiker – Miguel Lawner, Arturo Jirón, Carlos Jorquera und Aníbal Palma – vor ein paar Tagen zu einem klärenden Gespräch empfangen. Zu Tee und Pfannkuchen traf man sich in Bitars Wohnzimmer, und am Ende, hieß es, waren alle Zweifel ausgeräumt. Schade eigentlich: Vielleicht hätte ein bisschen Polemik die Leute tatsächlich massenhaft in den neuen Littín gelockt.