vonKarim El-Gawhary 10.05.2010

taz Blogs

110 Autor*innen | 60 Blogs
Willkommen auf der Blogplattform der taz

Mehr über diesen Blog

Rafahs Tunnelschmuggler behaupten, die neue unterirdische Grenz-Stahlwand durchbrochen zu haben

14 Kilometer soll das Corpus Delicti am Ende lang sein: die von Ägypten gebaute Stahlwand, mit der der Tunnel-Schmuggel an der Grenze zwischen Ägypten und dem palästinensischen Gazastreifen unterbunden werden soll. Als “Dschidar al-Dschedid”, als neue Grenzmauer, bezeichnen die Menschen in Rafah diese neue Grenzbefestigung.

unterirdische Stahlwand im Bau

Doch von der sogenannten Mauer ragen nur die Spitzen aus dem Sand. Der Rest der 18 Meter hohen oder, besser gesagt, tiefen Stahlwand befindet sich unter der Oberfläche, denn das neue Bauwerk soll den unterirdischen Schmuggel unterbinden.

Die neue Grenzbefestigung

Mit offensichtlich mäßigen Erfolg. „Jedes Problem hat seine Lösung,“ werden Schmuggler-Kreise in Gaza dazu in der überregionalen arabischen Tageszeitung Al-Hayat und auf der Webseite der arabischen BBC zitiert. Und soviel verraten sie dort: sie benutzen Maschinen, die große Hitze produzieren, um den Stahl zu schmelzen und durch die Wand durchzubrechen. Ein Vorgang, der angeblich bis zu drei Wochen dauert.
Stimmen diese Berichte ist es peinlich für die Erbauer der Mauer, die ägyptische Regierung und deren US-Berater. Bei Baubeginn letztes Jahr hatten sie die Undurchdringlichkeit der Wand angepriesen. In der US-Botschaft in Kairo streitet man ab, an dem Bau der Mauer direkt beteiligt zu sein, gibt aber zu, dass amerikanische Armeeingenieure die technischen Überwachungsanlagen und die Sensoren neben der Mauer installiert haben.

Seit Israel vor mehr als zweieinhalb Jahren eine Wirtschaftsblockade über den Gazastreifen verhängte und auch Ägypten seine südliche Grenze dichtgemacht hat, verläuft ein Großteil der Versorgung der 1,5 Millionen Palästinenser in Gaza durch unterirdische Tunnel. Hierdurch werden Güter des täglichen Bedarfs, aber auch Waffen für die in Gaza regierende palästinensische Hamas transportiert.
Die offizielle ägyptische Presse äußert sich nicht zu den Berichten, dass die Grenzbefestigung inzwischen durchbrochen wurde. Palästinensischen Quellen, wie die unabhängige palästinensische Nachrichtenagentur Sama News, bestätigen allerdings in Bezugnahme auf ägyptische Sichehrheitskreise, dass die Schmuggler es geschafft haben, die Wand mit Hilfe von Sauerstoff-Schweißgeräten zu durchbrechen.

Bereits als ich im Februar selbst nach Rafah gefahren bin und dort eine Geschichte über die Stahlwand mit dem Titel; “Die Mauer unter der Erde,” recherchiert hatte, bezweifelte der ägyptische Lokaljournalist Mustafa Singer die Wirksamkeit der Grenzbefestigung. . “Not macht erfinderisch. Ein Teil der Mauer ist bereits untertunnelt”, behauptete er bereits damals. Als Beweis führte er an, dass die israelische Luftwaffe immer wieder Tunnel bombardiert habe, die direkt neben der neuen Mauer lägen. “Wenn die Mauer funktionieren würde, müssten sie nicht bombardieren”, lautete seine bestechende Logik.
“Die ägyptische Regierung erfüllt mit der Mauer nur die Wünsche der Israelis, Amerikaner und der Europäer. Doch einige der ägyptischen Sicherheitsleute haben mir gegenüber zugegeben, dass diese Maßnahmen nichts nützen, weder über noch unter der Erde”, erklärte Singer.
Auch mir hatte ein ägyptischer Sicherheitsbeamter in Rafah damals augenzwinkernd berichtet, dass sich die Ingenieure der Hamas längst ein Stück von dem verwendeten Stahl besorgt hatten, um zu untersuchen, mit welcher Methode er sich durchdringen lässt. Glaubt man den neusten Berichten, waren sie erfolgreich. ´
Übrigens haben die Einwohner im ägyptischen Teil von Rafah fast immer die gleiche Antwort auf die Frage parat, wie sich der Schmuggel am Besten unter Kontrolle bringen ließe:  „Öffnet einfach wieder den offiziellen Grenzübergang“.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/aetsch_wir_sind_durch/

aktuell auf taz.de

kommentare