Erfolg auf der ganzen Linie: „Ich komme zu dem Schluss, dass es berechtigten Grund zu der Annahme gibt, dass der genetisch veränderte Mais der Linie Mon810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt“, sagte Landwirtschaftsministerin Aigner heute morgen in Berlin. „Damit ist der Anbau von Mon810 in Deutschland verboten.“ Aigner macht damit Deutschland für’s Erste zur gentechnikfreien Region.In ihrer Presseerklärung betont die Ministerin: „Damit ist jeder Anbau und jeder weitere Verkauf von Saatgut von Mais der Linie MON810 unzulässig.“ Sie geht also über ein bereits allseits erwartetes Verbot des Verkaufs von Saatgut ohne direkte Auswirkung auf den Anbau in diesem Jahr hinaus und beruft sich nicht auf Fehler beim Monitoring, sondern auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur möglichen Schädlichkeit von Mon810 für die Umwelt. Sie wolle damit nicht die Kanzlerin ärgern, sagte Aigner den Tagesthemen, sondern habe ein rein fachliche Entscheidung getroffen.
Wir haben also unsere Wette verloren, in der wir auf eine „wasch-mir-den-Pelz-und -mach-mich-nicht-nass-Strategie“ getippt hatten – was uns natürlich herzlich freut.
Unterstützt wird Aigner vom Bundesumweltministerium, aber sichtlich nur von Teilen ihrer eigenen Behörden. Jedenfalls merkt die Presserklärung an, die Sicherheitsbewertung durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das Julius Kühn Institut und das Bundesamt für Naturschutz habe keine einheitliche Auffassung ergeben.
Aigner betonte, dass die heutige Entscheidung nicht als Grundsatzentscheidung zum künftigen Umgang mit Gentechnik auf dem Acker, sondern nur als fachliche Einzelentscheidung zu Mon810 zu verstehen sei. Sie verstieg sich sogar zu dem Satz „Meine Entscheidung ist entgegen anders lautender Behauptungen keine politische Entscheidung„. Sie habe ihr Haus mit der Abfassung eines Strategiepapiers zur Sicherheitsforschung und zur Ausweisung gentechnikfreier Regionen beauftragt, an dem auch unabhängige Experten beteiligt werden sollen.
Monsanto hat angekündigt umgehend eine Klage „zu prüfen“. Dass der Konzern damit doch noch den Anbau in diesem Jahr durchsetzen kann, ist unwahrscheinlich. Es geht wohl eher um Schadensersatzforderungen „in Millionenhöhe“. Rechnet man grosszügig die gegenwärtig angemeldete Fläche von 3500 Hektar und einen Saatgutpreis um die 300 Euro pro Hektar hoch, kommt man mit Ach und Krach auf einen siebenstelligen Betrag. Verglichen mit anderen Schutzschirmen wäre der für die Gentechnikfreiheit in Deutschland also vergleichsweise preisgünstig, selbst bei Einberechnung der notorisch hohen Anwaltskosten des Konzerns. Eine solche Klage wirft natürlich auch die Frage nach der Gegenrechnung auf: Wieviel kostet der Anbau von Mon810 die gentechnikfreie Produktion?
Welche Chancen eine solche Klage allerdings hat, steht gegenwärtig in den Sternen. Denn tatsächlich haben jüngste Studien handfeste Indizien dafür geliefert, dass die Sicherheit von Mon810, obwohl bereits seit über 10 Jahren zugelassen, nicht in dem Masse geprüft und nachgewiesen wurde, in dem dies vorgeschrieben und wünschenswert ist. Wohl einer der Gründe weshalb die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA seit fast einem Jahr ihre überfällige Neubewertung des Gentechnik-Konstruktes nicht veröffentlicht hat. Zu den Problemen gehören u.a. ungeklärte Unterschiede zwischen dem „ursprünglichen“ Bt-Toxin und dem gentechnisch produzierten, sowie offensichtliche und erhebliche Schwankungen des Giftgehaltes der Mon810-Pflanzen. Sie waren kürzlich in einer Studie von Dr. Christoph Then und anderen im Auftrage des BÖLW und BUND aufgelistet worden.
Freuen können sich auch Campact, die seit Monaten Aigner hinterherreisten und ein Anbauverbot forderten sowie alle, die ihre online Aktion unterzeichneten.
Schließlich besteht Hoffnung, dass Ilse Aigner nach diesem ersten Streich auch auf europäischer Ebene gegen die Aufhebung der Verbote von Mon810 in Frankreich und Griechenland, sowie gegen die Neuzulassung von zwei anderen Bt-Mais-Sorten stimmen wird. Mehr dazu bei Stop-the-Crop.
Reaktionen:
Die Süddeutsche kommentiert unter dem Titel „Das Ende eines Freilandversuchs“ Die Gentechnik-Befürworter haben natürlich recht, wenn sie sagen: Ein „womöglich“ und ein „vielleicht“ sind keine Beweise für die Gefährlichkeit. Aber, und das ist entscheidend: Sie sind auch kein Beweis für die Ungefährlichkeit. Deshalb hat Aigner verantwortungsvoll gehandelt. (…)
Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt diese Technik ab. Sicher stecken hinter der Ablehnung nicht nur rationale Gründe, vieles ist Glaubenssache. Das gilt jedoch auch für die Befürworter.
Deutschland demütigt den Agro-Giganten schreibt der Spiegel.
Und das ist gut so meint die Neue Ruhr-Zeitung.
Aigner versteckt sich hinter Marienkäfern, meint die Financial Times Deutschland, hält dies allerdings für nicht verwerflich.
unter dem Titel „Genmais, nein danke!“ meinen die Stuttgarter Nachrichten gar: „Mit der Entscheidung, die Aussaat von Genmais zu verbieten, hat Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner der grünen Gentechnik hierzulande den Todesstoß versetzt“, und finden das prima.
CSU, Linke und Grüne begrüssen das Verbot ebenso wie Greenpeace, BUND, Nabu und die westfälische Kirche.
Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) bedauerte das Verbot und kündigte einen runden Tisch mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und anderen betroffenen Ressorts im Bund und in den Ländern an. Auch die FDP sieht den Forschungsstandort Deutschland gefährdet.
Der Deutsche Bauernverband sagt nichts Substantielles. Der sächsische und brandenburgische Bauernverband fordern dagegen Schadensersatz für die verhinderten Gentechnikbauern von Aigner.
Der Brandenburgische Landwirtschaftsminister Woidke (SPD) hingegen freut sich. In seinem Land sollte mit über 1500 Hektar der meiste Gentechnik-Mais spriessen.
In Sachsen-Anhalt, wo zwar nur 198 Hektar angebaut werden sollten, traditionell aber der meiste Wind um die „Zukunftstechnologie“ gemacht wird, meinte die Landwirtschaftsministerin, das Verbot zeige, dass die Schutzmechanismen greifen. Jens Katzek vom Gentechnikverein „Bio Mitteldeutschland“ dagegen sorgt sich um den Verlust von Arbeitsplätzen durch das Verbot – möglicherweise v.a. den eigenen.