Was tun diese Wissenschaftler? Hören sie das Gras der Koalitions-Elefantenrunde wachsen oder wollen sie das Mammut autoritärer Wissenschaft wiederbeleben?
Während Schwarz-Gelb sich über den künftigen Umgang mit der Agro-Gentechnik bisher nicht einigen kann, fordern die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften gemeinsam schon mal, das Gentechnikgesetz komplett zu schleiffen: Keine Haftung, keine Veröffentlichung der Standorte, geringere Sicherheitsabstände, Verkürzung der Anmeldefrist und ein Freibrief für die Auskreuzung nicht zugelassener Gentechnik-Konstrukte aus Experimenten auf Nachbarfelder gehören zur Wunschliste der Wissenschaftler, nicht zu vergessen „praktikable Schwellenwerte“ für die Verunreinigung von konventionellem mit gentechnischem Saatgut. Auch der wissenschaftlich-industrielle Bioökonomierat der Bundesregierung fühlt sich berufen, in die Koalitionsverhandlungen einzugreifen und seine Forderung nach Lockerung des Gentechnik-Gesetzes zu wiederholen. Wo wissenschaftliche Institutionen sich so unverhohlen als Lobbyisten betätigen, sollten sie sich nicht wundern, wenn sie in der Öffentlichkeit eher als Vertreter von Standesinteressen, denn als dem Allgemeinwohl verpflichtete akademische Institutionen wahrgenommen werden. Hören wir von ihnen besorgte Stimmen zur Lage des Wissenschafts-Nachwuchses, kluge Vorschläge gar zu mehr Investitionen in die wissenschaftliche Bearbeitung brennender Zukunftsfragen wie Klimawandel, Artenvielfalt, Welthunger, zum neuen Bildungsnotstand der Republik oder zum freien Wissenszugang? Nein. das Gentechnikgesetz, das einigen ihrer Mitglieder und vielen ihrer Geldgeber zu restriktiv erscheint, ist alles was sie interessiert. Wie unbefangen, fragt man sich unwillkürlich, werden wohl die wissenschaftlichen Risikoabschätzungen der Mitglieder solcher Gentech-Kampfgruppen ausfallen? Welche Schlüsse ziehen die Herren der Leopoldina & Co daraus, dass die Bürgerinnen und Bürger seit geschlagenen 20 Jahren ihrem liebsten Steckenpferd partout nichts abgewinnen können?
Nicht gerade die innovativsten. In der Stellungnahme der Akademien wird nicht nur die praktische Aufgabe des Vorsorgeprinzips gefordert, sondern den Koalitionären auch gleich noch die Rückkehr zu einer Art aufgeklärtem Absolutismus wissenschaftlicher „Objektivität“ nahegelegt: „Demokratische Politik kann die Meinung der Wähler nicht ignorieren. Sie ist aber auch dafür mitverantwortlich, dass die Wähler Fakten zur Kenntnis nehmen. Sie hat eine Aufklärungsaufgabe, bei der die Wissenschaft sie unterstützen muss“, heißt es da, und weiter in neudeutscher Techno-Lyrik: „Es muss dem Verbraucher vermittelt werden, dass die Grüne Gentechnik nicht nur für die Herstellung von Nahrungsmitteln Anwendung findet, sondern dass sie vielfältige andere Möglichkeiten bietet, beispielsweise den ökologischen Wachstumsbereich unserer Kulturpflanzen zu erweitern und Artenvielfalt zu fördern. Wissenschaft und Politik sollten gleichermaßen bemüht sein, in einem Diskurs diese Zusammenhänge zu erklären und um Akzeptanz für eine wichtige Forschungsrichtung mit großem Zukunftspotenzial zu werben.“
Zu diesem Zwecke werde auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft demnächst eine Broschüre veröffentlichen, „die der breiten Öffentlichkeit allgemeinverständlich die Chancen und Risiken der Grünen Gentechnik unter Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse verschiedener Disziplinen darlegt.“ Die DFG ist die „Selbstverwaltungseinrichtung“ der Wissenschaften, die rund 2 Milliarden Euro jährlich an öffentlichen Mitteln vergibt, ein Herren-Club der alten Schule (an Frauen gehen in den „Lebenswissenschaften“ Biologie, Medizin und Landwirtschaft ganze 20% in den restlichen Naturwissenschaften 7,4% der Mittel), in dessen Struktur man vergebens nach irgendeiner Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Formulierung von Forschungszielen und Schwerpunkten sucht. Folgerichtig sucht man in ihren Förderschwerpunkten für den ohnehin sträflich unterbelichteten Landwirtschaftsbereich auch vergebens nach anderem als … Gentechnik. Methoden des ökologischen Landbaus gelten hier nach wie vor wohl als unwissenschaftlich.
Der restaurative Ruf der Wissenschaftsfunktionäre in die Koalitionsverhandlungen lautet jenseits der plumpen Gentechnik-Forderungen: Der Gesellschaft dient die Politik am besten wenn sie den Bedürfnissen der Forscher nachkommt, und, anstatt der Wissenschaft das gesellschaftlich Wünschenswerte zu vermitteln, der Öffentlichkeit die Weltsicht der Wissenschaft erklärt. Man kann Frau Schavan Manches nachsagen: Dass ihr die Demokratisierung und Transparenz des Wissenschaftsbetriebes eine Herzensangelegenheit gewesen sei, gehört gewiss nicht dazu. Aber jetzt geht es wohl erst richtig los. Heidewitzka, Herr Professor – Willkommen im vergangenen Jahrhundert!