vonChristian Ihle 05.11.2009

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Wahrscheinlich lernten viele andere Thees Uhlmann wie ich kennen: über sein Tocotronic-Tourtagebuch, das lakonisch den RocknRoll abfeierte und in dieser Hinsicht, wie Uhlmann wohl sagen würde, ordentlich deliverte. Das Büchlein mag lange vergessen sein, aber Uhlmanns eigene Band Tomte sollte in den folgenden Jahren zu einer der größten des Landes heranwachsen. Eine Tatsache, die man sich im Jahr 2000 bei „Sonnige Nacht“ noch nicht einmal hätte erträumen können!tomte sonnige nacht

Während Tomte in den Folgejahren immer weiter aus der Garage in die neue Bürgerlichkeit schritten, war „Sonnige Nacht“ im Vergleich zum wilden Schrammelindiepunk des Debüts „Du weißt was ich meine“ vielleicht der Moment, an dem die verschiedenen Tomte-Elemente am vollkommendsten zueinander fanden. Thees mag 2000 noch eher versuchen zu singen und der für die Instrumentierung Verantwortliche würde wohl nur darüber lachen, wenn jemand von „Geigen wie bei Wonderful World“ spräche, aber einen unschätzbaren Vorteil hatte diese Herangehensweise gerade für Thees Uhlmanns Texte, die schon immer bevorzugt mit ordentlich Pathos oder der in die Luft gestreckten Faust uns an die Wand drücken wollten: durch die noch schroffe musikalische Untermalung wird eben jener Pathos nie zuviel, sondern baut im Gegenteil ein Spannungsfeld auf, das diese Songs auch nach zehn Jahren noch so verdammt lebendig macht.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=kXGWE02dvL4[/youtube]
.

Amüsant ist es auch, wenn man die vielen popkulturellen Verweise im Jahr 2009 noch einmal überblickt: der ehemalige Schalker Abwehrspieler Yves Eigenrauch wird mit einem eigenen Song bedacht („Yves, wie hälst du das aus?„), Samy Deluxe und Ferris MC wird wegen ihrer latenten Homophobie der Garagenpunkprozess gemacht („Adam & Steve“) und dem damals außerhalb Hamburgs pretty unbekanntem Rick McPhail wird sogar ein ganzer Song gewidmet – ein paar Jährchen später wurde McPhail der vierte Tocotronic.

Das folgende, auf seine Art fast genauso gute Album „Hinter all diesen Fenster“ sollte Tomtes magnum opus werden, mit dem sie eine neue Aufmerksamkeitsstufe erklommen, die sich bei den beiden folgenden Platten dann gar in Top-10-Platzierungen niederschlagen würde. Doch „Sonnige Nacht“ wird für uns ewige Indiekids mit „Theestube“, „Ich habe eingesehen„, „Wilhelm, das war nichts“ und „Adam & Steve“ immer die Platte sein, die auf ewig ein Plätzchen in unserem Herzen gefunden hat.

Das dachte ich damals:

JJ72
JJ 72 – JJ 72

Das dachten damals die anderen:

in der Welt:
* NME: Queens Of The Stone Age – Rated R
* Pitchfork: Radiohead – Kid A

in Deutschland:
* Spex: Kelis – Kaleidoscope
* Intro: Sigur Rós – Ágætis Byrjun
* MusikExpress: Radiohead – Kid A
* Rolling Stone: Johnny Cash – Solitary Man

Songs des Jahres:

* NME: Eminem – The Real Slim Shady
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=39PaQmIX0r8[/youtube]
.
* Spex: Madonna – Music
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=XoTv1ELYV1o[/youtube]

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/alben_des_jahrzehnts_-_2000_sonnige_nacht_von_tomte/

aktuell auf taz.de

kommentare