vonChristian Ihle 29.05.2008

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Nachdem die Long Blondes auf Angular Records, dem damals heißesten Label der Welt, ihre ersten Singles veröffentlichten, erwartete man, dass die Sheffielder Band binnen kurzem die Popwelt, also England, regieren würden. Aber man wartete, wartete, es wurde Single um Single veröffentlicht bis irgendwann auch der NME reagierte – „die beste britische Band ohne Plattenvertrag!“ wurde dort jubiliert – und immer noch war kein Albumvertrag in Sicht.
Als nach langen, langen Monaten endlich das Debütalbum herauskam, war der Zauber des Moments verflogen und die aseptische Produktion wie Neuaufnahme der frühen wilden Singlehits taten ihr Übriges um die Long Blondes zu einem nie eingelösten Versprechen werden zu lassen.

Zwei Jahre vorgespult und die Long Blondes – auf die nun wirklich niemand mehr wartet – stehen mit ihrem zweiten Album in den Plattenregalen. Interessiert das noch jemanden? Wahrscheinlich zu wenige dafür, dass „Couples“ nicht nur besser als das vorschnell gelobte Debüt ist, sondern auch eine erstaunliche und überaus passende Weiterentwicklung zeigt. Bestand das erste Album in erster Linie aus einer Mischung aus Indie-Pop, Pulp-Verschrobenheit, Undertones-New-Wave und der einen oder anderen eckigen Gitarre, vergrößert die Band um Sängerin Kate Jackson ihre Palette auf „Couples“ doch enorm.

Long Blondes - Couples

Die beiden Long Blondes Platten sind auch ein Lehrstück, wie viel Wirkung ein Produzent auf eine Band haben kann. Wurde das erste Album „Something To Drive You Home“ vom ehemaligen Pulp-Mitglied Steve Mackey überraschungsarm und uninspiriert produziert, setzt die britische DJ- und Remix-Legende Erol Alkan, dessen „Trash“-Clubnights dafür bekannt waren, alle Genres gleichermaßen zu lieben, mit dem Albumopener „Century“ gleich eine Aussage, die das ganze Album überstrahlt: hier wird nicht mehr im britischen Küchengitarrensud geköchelt, nein, hier werden die flotten Schuhe angezogen und der eigene Club eröffnet. Zu „Century“ knutscht in einer Eiswüstendisco Blondies „Heart Of Glass“ mit Donna Summers „I Feel Love“ und auf einmal findet auch Kate Jacksons Stimme, die bisher nur in ihren RiotGrrrl-Reminiszenzen wirklich funktionierte, eine Heimat. Kühle Eleganz herrscht auf „Couples“ und Berührungsängste waren gestern: Beginn und Ende des Titelsongs darf sich an den Pet Shop Boys orientieren und „Round The Hairpin“ bewegt sich mit seiner monoton-minimalistischen Instrumentierung, die gegen Störgeräusche und geflüsterte Vocals ankämpft, sogar auf Cabaret Voltaire – Terrain. Immer wenn die Long Blondes sich entscheiden gegen den Strich zu spielen, ist dieses Album eine Offenbarung. So bleibt am Ende zu konstatieren, dass man beim Hausputz nur nicht konsequent genug war, denn die schwächsten Stücke stammen direkt aus dem Soundfundus der „alten“ Long Blondes. Die Elegant Disco von „Century“ aber könnte ihre Zukunft sein: eine Gitarrenversion des „Italians Do It Better“ – Labels abgeben und dann doch wieder dem Mainstream ein Schrittchen voraus sein!

Anhören!
* Century (hier)
* Round The Hairpin (hier)
* Too Clever By Half (hier)
* Couples

Im Netz:
* Indiepedia
* Homepage
* MySpace

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