Jamie Hince ist ein Hitzkopf. Von der Tatsache mal ganz abgesehen, sich ausgerechnet in eine der meistfotographierten Frauen der Welt zu verlieben. Jamie Hince scheint nämlich ein ebenso impulsiver wie hartnäckiger Künstler zu sein. Und da kann es schon mal passieren, dass aus einer einfachen Idee eine komplette Bandkarriere wird. In diesem Fall sind das „The Kills“ und die Bandkarriere steuert ihren ersten Zenit an. Die Idee der „Kills“: Minimalismus. Mit dem dritten Album „Midnight Boom“ wird die Symbiose aus Punk und Kunst endlich genießbare Wirklichkeit. Will heißen: ohne etwaige Längen, die frühere Alben der „Kills“ noch aufwiesen.
Zugegeben, die Idee mit den vertonten Abzählreimen der 60er Jahre kann auch ganz schön in die Hose gehen. Inspiriert von der US-Doku „Pizza Pizza Daddy-O“, in der die simplen und äußerst brutalen Kinderreime schwarzer Schüler Ende der 60er Jahre dokumentiert wurde, setzte sich Jamie Hince an die Drummachine und die E-Gitarre – und schuf „Midnight Boom“. Im Gegensatz zu „No Wow“ und „Keep On Your Mean Side“ ist „Midnight Boom“ nun der richtige Schub nach vorn. So stimmig wurden Pop-Art, 70s Punk und Rockmusik im neuen Jahrtausend noch nicht vertont. Das kann man wirklich einmal so stehen lassen. Denn wer hat es sich in den letzten Jahren schon getraut, im sturen 4/4-Takt ein komplettes Aufzunehmen, durcharrangiert durch gerademal eine Drummachine, einer bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Gitarre und zwei betörende, Galle spritzende Stimmen. In „Last Day Of Magic“ wird das deutlich: da kratzt die stupide Machine gehörig an der Innenseite des Schädels, da fräst sich aber auch in sekundenschnelle ein wahnsinnig eingängiger Refrain durch die Hirnrinde. Alison Mosshart singt von Tod und Verderben, vielleicht, aber auch von der nun unbeachteten Schönheit der Vergangenheit.
„U.R.A. Fever“, die erste Single, war eine wabernde, kreischende Verneigung vor Velvet Underground. Und wahrscheinlich wäre aus dem Rest des Albums nicht viel mehr geworden, wenn da nicht Spank-Rock Produzent Alex Epton gewesen wäre. Der hat aus fast jedem einzelnen Song der Kills schlussendlich das herausgeholt, was sich auf den ersten beiden Alben nur angedeutet hatte: die finale, fatale Kombination aus Kunst, Pop und Punk. In „Alphabet Pony“ klappern die Beats, als hätte man Timbaland drei Wochen in ein Kellerloch gesperrt und nichts als Whiskey und verfaulte Tomaten vor die Füße geworfen. Welchen Musikliebhaber, der auch nur einmal in seinem Leben eine Kippe geraucht, besoffen aufgewacht und die Velvets andächtig verehrt hat, geht bei diesen Songs eigentlich nicht das Herz auf? „The Last Day Of Magic / Where Were You?“ Wir waren da und haben The Kills gehört… (Robert Heldner)
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* “Last Day Of Magic” (hier)
* “U R A FEVER” (hier)
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