Es war zu Beginn dieses Jahrzehnts als ein Stil elektronischer Musik wieder heiß wurde, der letztmals 20 Jahre zuvor aktuell war. Der Früh-80er-Electro-Sound, der immer noch mit Songstrukturen arbeitete, die Lieder aber monoton aufbaute und dabei in erster Linie eine eisige Distanziertheit verbreitete, fand um das Jahr 2000 in den Szenen von New York bis Berlin seine Wiederkehr. Die Band der Stunde war das New Yorker Duo Fischerspooner, das zunächst vom Münchener DJ Hell und seinen Gigolo Records unter Vertrag genommen wurde bis sie für eine absonderliche hohe Summe bei Ministry Of Sound unterschrieben. Legendäre Liveauftritte, eine der besten Singles dieses Jahrzehnts (das Monster „Emerge“) und dann – nichts. Fischerspooner verschwand und mit ihnen der Electroclash genannte Stil, der geradezu verlacht wurde, als die New Yorker einige Jahre später ihr unterschätztes zweites Album auf den Markt brachten.
Ebenfalls in dieser Früh-80er-Phase findet die kanadische Band „Crystal Castles“ ihre Referenzpunkte. Obwohl gerne und oft derzeit die New-Rave-Schublade aufgemacht wird – oder vielleicht auch nur Crystal Castles mit hineingesteckt werden, weil die Schublade gerade noch so praktisch vom Vorjahr offen steht – hat ihr Sound gar nichts mit der Wiederaufnahme des alten Rave-Sounds oder den Post-Punk-Rhythmen für die Tanzfläche zu tun, der gewöhnlich unter New Rave subsumiert wird. Crystal Castles erinnern musikalisch eher an einen wildgewordenen Atari-Computer oder eine Arcade-Spielhalle auf Prozac, mit all dem Fiepsen und Knarzen. 8-Bit, Baby!
Unabhängig von etwaigen Genre-Diskussionen bleibt festzuhalten, dass Crystal Castles mit ihrem Debütalbum, das alle bisher auf Single veröffentlichten Songs versammelt, eine Meisterleistung gelungen ist: das Nerv- wie Verliebpotential ist gleichermaßen groß, Crystal Castles polarisieren folgerichtig. Einerseits wird derart atonal gefiepst und punkig geschrieen, dass man an eine Bubblegum-Version von Atari Teenage Riot denken mag, andererseits in Songs wie „Crimewave“ direkt der Miss-Kittin-goes-Pop!-Gedanke von ihrer „Rippin Kittin“-Single aufgenommen oder gar auf „Vanished“ wie reinkarnierte Fischerspooner geklungen.
Man kann nur hoffen, dass ihnen etwas mehr Glück und Langlebigkeit als Fischerspooner beschieden ist, aber andererseits reichen schon diese 16 Songs für hier und jetzt vollkommen aus, um vor Begeisterung ein kleines bisschen durchzudrehen.
Anhören!
* Crimewave hier)
* Vanished
* Alice Practice (hier)
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