vonChristian Ihle 09.12.2008

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Na, da wird aber jemand übermütig! Albumcover und erster Titel („Berlin Calling“) des neuen Egotronic-Albums lehnen sich an die „London Calling“-Platte von The Clash an, die vom US-Rolling Stone zum besten Album der 80er Jahre gewählt wurde.egotronic

Aber bei allen Abstrichen, die man bei einem Clash-versus-Egotronic-Vergleich natürlich machen muss, bleibt der Band des Audiolith-Labels eines belassen: wie bei The Clash reicht Egotronics Blick über den Tellerrand des „drauf seins“ hinaus.

Gerade die Generation Audiolith wie die New-Rave-Kids ruhen sich manchmal zu sehr auf dem Abfeiern, dem Exzess, dem Hedonismus aus, so dass es eine Wohltat ist, bei Egotronic noch andere Aspekte wiederzufinden. Ob in den Texten, die Homophobie ebenso anklagen wie sie – wieder einmal – eine deutschlandkritische Haltung propagieren oder auch in der Haltung, in Leipzig mit einer Konzertabsage zu drohen, sollte eine rechte umstrittene Band ebenfalls am gleichen Ort spielen, versuchen Egotronic sich diesen Anspruch zu bewahren. Das ist auch dringend nötig, denn der Tiefpunkt des Albums ist jene Feier der „3 Tage wach“ Mentalität in „Verspult“, die spätestens seit dem gleichnamigen Hit auch keinesfalls mehr als gegen den Konsens interpretiert werden kann.

Messerscharf dagegen der Kommentar zum Thema „positiver Nationalismus via Fußballeuphorie“ im Song „Kotzen“, der – und das zeichnet ihn aus – eben nicht gegen die üblichen Gegner wie BILD und Konsorten kämpft, sondern durchaus gegen Teile der eigenen Hörerschaft wütet: „In Massen finden Zecken kollektiv den Schweini toll / Das sind nicht nur Touristen / Nein, das ist Kreuzberg“. Ebenso wird die Idee, Attitüde durch die Wahl des „richtigen“ T-Shirts zu beweisen, abgewatscht („Doch spielt jetzt Deutschland bist du umgehend ganz unbefangen / Du trägst ein Slime-Shirt / Und ich bin sehr verstört / Deutschland muss sterben hast du damals dann wohl überhört“).

Ohne sich jetzt ein reines Polit-Album wünschen zu wollen, sind es doch gerade diese Tracks, die Egotronic aus der Masse des Electro-Punk-Genres herausheben während all die Drogen-geil-Finderei in dieser Häufung nur noch öde sein kann. Musikalisch hat sich die Berliner Band dabei generell weiterentwickelt. Ohne den Charme des Direkten, Einfachen zu verlieren, sind die Songs – im positiven Sinn – gefälliger geworden. „Egotronic“ ist zwar immer noch weiter von „London Calling“ als Berlin von der britischen Hauptstadt entfernt, aber auch besser als das meiste, was in diesem Jahr aus diesem Genre kam. (Christian Ihle)

Anhören!
* Kotzen (feat. Walter Schreifels) (hier)
* Der Weg zu zweit
* Berlin Calling

Im Netz:
* MySpace
* Indiepedia

Egotronic im Popblog:
* My Favourite Records mit Torsun

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https://blogs.taz.de/album_des_monats_november_platz_3_egotronic_-_egotronic/

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