die tausend Bauern, Hacker, Gentechnikgegner und sonstigen Bayern, die sich heute zur Demonstration gegen ein Patent auf Schweine in München versammelten, sind nur die Spitze des Eisbergs: Auch Bauernpräsident Sonnleitner hält die patentierte Sau für einen „Sündenfall“, das Land Hessen hat eine Bundesratsinitiative gegen ausufernde Patente auf Leben gestartet, der bayrische Umweltminister Söder tauchte als Gastredner auf und eine Rotte Schwäbisch-Hällischer Traditions-Schweine durchwühlte die Wiese vor dem Patentamt.
Der Anlass der Demo ist das Patent EP 1651777 auf Gentests bei Schweinen, die über deren kommerziellen Wert und damit ihre Überlebenschancen in der Fleischfabrik Auskunft geben sollen. Das ursprünglich von Monsanto betriebene Unternehmen Nesham Choice Genetics, dem das Patent gehört, bringt seine Ziele klar auf den Punkt: „Genepacker® and SuperMom® deliver more pigs“. Auf dem hochkonzentrierten Markt für kommerzielles „Schweine-Material“ gehört die Firma zu den Marktführern. Doch die Konkurrenz schläft nicht: Insgesamt 40 Patente auf Tiere und Zuchtverfahren fand eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Recherche „Patente auf Kuh, Schwein, Milch und Schnitzel?“ beim Europäischen Patentamt.
Es geht dabei, wie bereits beschrieben um eine neue Form von Patenten: Auch die Ergebnisse konventioneller Züchtung, ob von Schweinen oder Pflanzen, sollen künftig patentierbar sein. Dagegen macht der globale Aufruf der Initiative „no patents on seeds“ mobil.
Die Organisatoren der heutigen Demo schreiben:
Das Patent ist nur ein Beispiel von vielen: In Europa sind inzwischen hunderte von Patentanträgen auf die konventionelle Zucht von Pflanzen und Tieren angemeldet. Gehen diese Patente durch, haben Konzerne wie Monsanto nicht nur die Kontrolle über genmanipulierte Pflanzen, sondern auch über die normale Züchtung. Sie kontrollieren dann, was zu welchen Preisen auf den Markt kommt – Verbraucher, Landwirte und Lebensmittelhersteller geraten in völlig neue Abhängigkeiten. Bereits erteilt wurden Patente auf Brokkoli, Tomaten, Verfahren zur Zucht von Schweinen und Milchkühen. Das Patentrecht wird von den Konzernen dazu missbraucht, um die Kontrolle über die Züchtung, die Landwirtschaft, Tierzucht bis hin zur Erzeugung von Lebensmitteln übernehmen.
Der kluge Kopf hinter dem ganzen Rummel, Dr. Christoph Then, erklärt in der Tagesschau in zwei Minuten worums geht.
Alles weitere und noch viel mehr findet sich auf der Webseite der seit 1992 von Ruth Tippe in München unermüdlich betriebenen Initiative „Kein Patent auf Leben“
Eine populärwissenschaftliche Einführung in das Thema findet sich bei scinexx.
Am 11. Mai wird der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags zum Thema Bio-Patente eine öffentliche Anhörung durchführen, zu der man sich allerdings vorher anmelden muss.