vonMathias Broeckers 27.02.2009

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„Hast Du den Artikel über 30 Jahre taz in der Spex gesehen?“ fragte Kollege Statler, als er heute mit einem Ausdruck wedelnd ins Büro kam und ihn mir auf den Tisch legte. Gesehen hatte ich ihn schon, denn jemand hatte ihn im Fahrstuhl aufgehängt , aber weil der heute pannenfrei lief war zu wenig Zeit für den ausführlichen Text. „Was steht denn drin?“ fragte ich und begann zu lesen. Statler setzte sich: „Coole Analyse, muß ich sagen: nach dem radikalen, innovativen Start in den 80ern, hat die Zeitung in den 90ern und spätestens mit Rot-Grün ihren Frieden mit dem Medien-Mainstream macht und dümpelt mittlerweile eher vor sich hin. Politisch manifestiert hat sich diese Anpassung nach Ansicht des Autors bei zwei Ereignissen: dem Umgang der taz mit dem Krieg im Kosovo und dem Krieg gegen den Terror nach 9/11.“

„Könnte man so sehen,“ warf ich ein, „wie die Grünen hat auch die taz da ihre pazifistischen, anti-militaristischen Wurzeln verraten und abgeschnitten. …“

Statler sah mich besorgt an: „Sag das nicht zu laut. Sonst kriegst Du Ärger mit etlichen Leuten hier. Hast Du nicht das Tagesthema gelesen?“ Ich hatte nicht, und er klärte mich auf, dass die Geschäftsführung kommentarlos das Link zu dem Artikel ins interne Netz gestellt hatte und daraufhin einen Sturm der Entrüstung geerntet hatte. Von Redakteuren und Korrespondenten, die sich von dieser Kritik offenbar betroffen fühlten. Und die Veröffentlichung des Links durch die Geschäftsführung als weiteren Affront werteten, so wie damals, als es zugelassen wurde, dass Außenminister Fischer sich die tazler, die ihn interviewten, selbst aussuchen durfte.

Ich hatte mittelweile zu Ende gelesen. „Das kann nicht sein“, sagte ich, “ ist doch ein ganz intelligenter, ebenso kritischer wie emphatischer Artikel. Und darüber mokieren sich die Kollegen?“

„Und wie „, sagte Stattler, – „schwachsinnig“, „manipulativ“, „journalistisch schlecht“, die sind ganz aus dem Häuschen. Ich verstehs ja auch nicht. Tag für Tag Gott und die Welt und Alles und Jedes kommentieren und kritisieren. Auf jeden Topf einen Deckel, zu jedem Scheiß ne Meinung, immer feste druff. Aber wenn ihnen selbst einen Hauch Kritik entgegenschwebt , stellt sich heraus: alles Mimosen!“

Ich konnte nicht widersprechen. Vor allem, weil der Artikel bei aller Kritik noch durchaus hoffungsfroh endet:

„Vielleicht gewinnt die provokative Zuspitzung inhaltlicher Analyse auf dem tazkongress zum 30. Geburtstag vom 17. bis 19. April 2009 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin wieder an Fahrt. Denn Oppositionspolitik muss angesichts der Erfolgsgeschichte der Linken, die auch eine der taz ist, und der damit einhergehenden Zähmung völlig neu überdacht werden. Nur durch die konsequente analytische Distanz zu regierenden Parteien und Mächten kann die taz — bei aller wünschenswerten Parteilichkeit — eine Aktualität schaffen, die sich wie vor dreißig Jahren aus der Plausibilität einer ungeschönten Analyse der herrschenden Verhältnisse speist. Nur dann wird die taz auch weiterhin eine Kraft der Erneuerung bleiben, die in der Medienlandschaft der Bundesrepublik unverzichtbar ist und als die wir — ihre Leser und Autoren — sie schätzen.“

„Provokative Zuspitzung inhaltlicher Analyse“ , „konsequente analytische Distanz zu regierenden Parteien“, „ungeschönte Analyse herrschender Verhältnisse“, „Kraft der Erneuerung“…. wer der taz zum 30. diese wünschenswerten Attribute mißgönnt hat sie nicht richtig verstanden. Und wer glaubt, diese Eigenschaften seien schon komplett vorhanden und bräuchten deshalb nicht eingeklagt zu werden, hat sie wahrscheinlich schon länger nicht mehr nicht richtig gelesen…

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