vonWolfgang Koch 09.06.2008

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Wir kennen den herablassenden Ton zur Genüge, mit dem deutsche Medien ihre Berichte über das Geschehen in Österreich garnieren. Seit das wiedervereinigte Deutschland mit Berlin eine international herzeigbare Hauptstadt hat, kann das zweite und zweitweilig in Segmenten dominierende deutsche Kulturzentrum Wien dem Publikum gar nicht oft genug als Provinz vorgeführt werden.

Man lesen nur mal, um diese These bestätigt zu finden, den skandalös diffamierenden Bericht, den ein junger F.A.Z.-Autor jüngst über das diesjährige Pfingstfest von Hermann NITSCH in Prinzendorf abgeliefert hat (Der Fall ist doppelt ärgerlich, da im ehemaligen Weltblatt F.A.Z. über viele Jahre der angesehene Aktionismuskenner und Ästhetikforscher Peter GORSEN über den Künstler berichtet hat).

Das beliebte Österreich-Bashing deutscher Medien ist schon absurd, wenn man bedenkt, dass noch nie so viele deutsche Studenten einen Studienplatz in Österreich gewählt haben wie heute. Man kann in Wien abends kein Jugendlokal betreten, in dem nicht junge Menschen aus Bayern oder aus der Pfalz etwas dazuverdienen, indem sie sich als Servierkraft betätigen.

Trotzdem haut die deutsche Presse bei jeder Gelegenheit auf die Össis hin. Was aus dem Süden kommt, wird im Norden milde belächelt. Kurz: Dass sich die berühmten verfreundeten Nachbarn nicht näher kommen, das liegt beileibe nicht nur an den hiesigen Vorurteilen gegen die »Piefkes«.

Neuerdings hat das Intelligenzblatt F.A.Z. sogar ein besonders perfide Strategie der Abwertung entwickelt. Dort nämlich ist der arrogante Blick auf Österreich nicht nur ein Funsport, mit dem sich die müde Redakteure fit halten. In diesem Haus sucht man die Herablassung auch noch noch raffiniert zu rechtfertigen.

Um das Östereichische unschuldig belächeln zu können, verfielen verschieden Ressorts der F.A.Z auf die Idee, das negative Urteil dadurch zu nähren, dass man im Blatt besonders dämliche Össis über Österreich schreiben lässt. So kommt die Leserschaft gar nicht erst auf die Idee, dass da etwas nicht stimmen könnte.

Als Paradespiel nenne ich den aus Graz stammenden Schriftsteller Thomas GLAVINIC. Dieser Autor ist mehr Schriftsteller-Darsteller als Literat und er darf derzeit auf den altehrwürdigen Seiten zu allem und jedem Thema seinen Senf abgeben. Jedes Woche schreibt er eine Kolumne, taucht mal im Feuilleton, mal im Reiseblatt auf.

In der Ausgabe vom 5. Juni tut uns Glavinic kund, dass er zwar schon zehn Jahre in Wien lebe, aber hier noch nie ein Museum besucht hat (Titel: »Nichts drängt mich weg, nichts ruft mich zu sich«). Der Wahlswiener will in seinen zehn Wienjahren noch nie beim Heurigen gewesen sein; er weiss nicht mit Sicherheit zu sagen, was das Schloss Belvedere ist; er nimmt nie ein Taxi in Wien; er war noch nie in der Staatsoper,…

Satire ist das jedenfalls keine. Denn Glavinic versichert ja, die Tate Gallery zu kennen, den Louvre, das MoMA. Soll heissen: Dieser Mann ist ein Weltmann, ein Kosmopolit, ein wahrer Donator. Er war halt noch nie im Naturhistorischen Museum am Ring und auch nicht im Kunsthistorischen Museum – »einfach weil es so nah und greifbar erscheint«.

Dann versichert Glavinic in seinem Wien-Portrait auch noch, alle seinen Freunden ginge es genauso. Sie seien Bobos, bürgerliche Bohemiens; sie würden theoretisch gerne mehr in der Stadt an der Donau erleben, aber, ach, Wien sei eben hauptsächlich ihr Rückzugsraum von all dem Erfolgreichsein rund um den Erdball.

Es gab einmal eine Zeit, da haben sich Literaten für ihr Unwissen und für ihre Unbildung geschämt – und hätten sie das nicht getan, wären sie schlau genug gewesen, ihren Schnabel zu halten. Heute lässt sich dieser junge Schriftsteller als schlitzohriger Dolm der österreichischen Nation im Ausland vorführen.

Wir können uns gut vorstellen, wie die graumelierten Redakteure der F.A.Z. auf ihren schicken Aero-Stühlen hocken und sich bei der Lektüre solcher Texte kutternd auf die Schenkel klopfen: »Nicht zu fassen, wie deppert diese jungen Östereicher sind! Das dürfen wir unserem Publikum auf keinem Fall vorenthalten!«

© Wolfgang Koch 2008
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