Nach einem gentechnikfreien eat-in am Brandenburger Tor warf Greenpeace gestern sein „Nein zur Gen-Kartoffel“ aufs nächtliche Kanzleramt. Die Reaktionen auf die erste Anbauzulassung einer Gentechnikpflanze in der EU seit 1998 machen die Fronten klar, entlang derer in Europa und Deutschland in den nächsten Monaten die Schlacht um die Gentechnik auf dem Acker wohl toben wird. SPD, Grüne und Linke kritisierten den Beschluss ebenso wie alle Umweltverbände und der Biolandbau. CDU und FDP jubelten in unterschiedlichen Tonlagen.
Landwirtschaftsministerin Aigner legte Wert auf die Feststellung, dass die Kartoffelreste in Deutschland „freiwillig“ nicht ins Tierfutter kommen, sondern ausschließlich in Biogasanlagen verarbeitet werden sollen. Ansonsten konzentrierte sie sich eher auf die Ankündigung der EU-Kommission, nach Wegen zu suchen wie die Mitgliedsstaaten künftig eigenständig über den Anbau von (EU weit genehmigten) Gentechnikpflanzen entscheiden können. „Ich werde in einen Dialog mit den Bundesländern und natürlich auch dem Bundestag eintreten, wie wir diese Möglichkeit in Deutschland verantwortungsvoll umsetzen können„, sagte sie.
Für den Antiökologen und Welt-Kolumnisten Michael Miersch ist Amflora die Hoffnungsknolle. In der Frankfurter Rundschau meint Stephan Börnecke „Keiner braucht Amflora – außer BASF“. Der Branchendienst Agrarheute spricht von unvereinbaren Ansichten zur Zulassung.
Der BUND Vorsitzende Hubert Weiger sieht in der Zulassung einen „politischen Kniefall vor der BASF“ und hofft jetzt auf die Vernunft der Stärke-Industrie. Dazu paßt die Stellungnahme des größten europäischen Stärkeherstellers Emslandstärke, der mittlerweile eine gentechnikfreie Alternative anbauen läßt: „Wir sehen zurzeit keine Möglichkeit, Amflora anzupflanzen. Die Konsequenzen wären zu groß“, sagte ein Vertreter des Unternehmens der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Die BASF kündigte unverdrossen an, Amflora noch in diesem Jahr auf mehreren hundert Hektar anzubauen. Weil davon nur 20 ha in Deutschland im mecklenburgischen Bütow liegen werden, dürfte der Anbauschwerpunkt trotz aller zackigen schwarz-gelben Solidarität wohl in Schweden und Tschechien liegen. Nicht ganz klar ist bisher wie der Anbau in der Praxis (Abstände, Trennung) aussehen wird. Noch unklarer ist wie die von der BASF erstrittene Genehmigung einer Verunreinigung von Speisekartoffeln bis zu 0,9% überprüft werden soll und v.a. auf wessen Kosten solche Tests in Zukunft durchzuführen sind.
Ob die Symbolik des von der BASF mit allen ihr zu Gebote stehenden Machtmitteln errungenen Zulassungs-Sieges und auch des unmissverständlichen Einstiegs des neuen EU-Kommissars in das Thema (dem allerdings keiner seiner neuen Kolleginnen und Kollegen auch nur verzögernd in den Arm fiel) die eines „Einstiegs“ oder vielleicht doch eher einer neuen Konfrontation sein wird, werden die kommenden Monate zeigen. Fest steht: Das Thema ist wieder top aktuell.
Stimmen aus aller Welt:
Das Wallstreet Journal freut sich über einen Sinneswandel in der EU Kommission
AFP berichtet, dass Österreich ein umgehendes Anbauverbot für die Amflora und der italienische Agrarminister Zaio eine konzertierte Aktion der Mitgliedsstaaten gegen den Beschluss angekündigt haben
„Grüne und Sozialisten ziehen in den Krieg gegen die Gentech-Kartoffel“ titel L’Express in Frankreich, wo das Thema in den Regionalwahlen eine Rolle spielen wird
„John Dalli walks into a storm“ schreibt die Heimatpostille des Kommissars, die Times of Malta