vonlottmann 10.02.2010

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Heute wird Oberst Klein erstmals vor dem Untersuchungsausschuß des Bundestages vernommen. Dazu zur Erinnerung noch einmal der Kommentar in der taz am 16. Januar 2010:
Letztens bei ‚Beckmann‘ war unser junger Verteidigungsminister zum erstenmal überzeugend. Also für mich. Schnell hat er sogar aus der SPIEGEL-Schelte gelernt (Titelgeschichte ‚Der Entzauberte‘). Er war nicht mehr eitel, kokettierte nicht mehr mit seinem Image, nahm auch keine Rücksichten mehr auf das rechte Lager. Es war, als sei er seiner selbst überdrüssig geworden (‚Der Baron aus Bayern‘), als interessierte ihn nur noch eins: die Sache. Und da geht es ihm wie allen. Denn die Sache – das erste Massaker in deutschem Namen seit 1945 – entpuppt sich immer mehr als tolles Stück. Verständlich, daß ihm der Kragen platzte, als ihm Schneiderhahn so peu à peu davon berichtete (nachdem er ihm viel zu lange nicht davon berichtete). Und daß er ihn samt Komplizen binnen Minuten feuerte.
Das war richtig und couragiert. Aber politisch scheinbar ein Schuß ins eigene Knie, wenn nicht sogar in die Schläfe. Denn der Geschaßte – ein knattriger menschenverachtender Spitzenmilitär wie aus dem Bilderbuch – läßt seitdem genüßlich streuen, daß er sich darauf freue, im Untersuchungsausschuß seiner Loyalität entbunden zu sein. Zu deutsch: daß er nun ordentlich auspacken darf. Daß er oder seine Leute damit längst angefangen haben, zeigen die täglichen neuen Enthüllungen. Und sie wirken in den Medien wie Bomben unter Guttenbergs Stuhl, obwohl sie in der Sache den Minister eher entlasten.
Wir wissen nun, daß Oberst Klein nicht die Tanklaster angreifen wollte, sondern die Menschen zwischen den beiden Fahrzeugen. Er wollte töten. Nun wird scheinheilig erklärt, man habe auch früher schon Situationen des Töten-müssens gehabt, sie seien offiziell Teil des Mandats und somit keine sensationelle Meldung. Krieg sei eben Krieg, auch wenn er (noch) nicht so heiße. Genau dies stimmt aber nicht. Das Mandat unserer Armee lautet: Ihr dürft töten, um euch zu verteidigen. Ihr dürft nicht töten, um zu töten.
Exakt das hat Oberst Klein getan. Jedes Kind, das einmal einen Western gesehen hat, weiß: Wenn der Gauner zieht, darf der Held denselben abknallen. Peng!, weg damit, nächste Szene. Zieht aber der Gauner NICHT, und knallt der Held ihn einfach so ab, ist der Held kein Held, sondern ein Mörder. Und muß natürlich an den Galgen. Dann ist es auch kein Western mehr, sondern ein Problemfilm.
Dieser Problemfilm wird nun in Deutschland gezeigt. Die Menschen, die acht Jahre lang alles geschluckt haben, das Brunnenbohren-Märchen, die vorgegaukelten Schulen für niedliche Mädchen (als wenn unsere verbunkerten Jungs je aus ihren zwei, drei Lagern herausgekommen wären), den hahnebüchenen Quatsch von unserer Freiheit, die am Hindukusch verteidigt werde, sie merken auf einmal, daß sie im falschen Film waren. Und sind maßlos empört. Genau wie unser Verteidigungsminister. Daran erkennt man, daß er tatsächlich jener Anti-Politiker ist, als der er sich so lange geriert hat: er fühlt wie seine Bürger. Ich traue ihm wirklich als einzigem zu, daß er diesen Krieg beendet. Aber dazu muß er die Schlammschlacht überstehen, die nun gegen ihn ausbrechen wird. Schneiderhahn, fast schon die Karikatur eines Spitzenoffiziers (er könnte auch in ‚Neues aus der Anstalt‘ den dortigen Bundeswehrgeneral a.D. spielen), setzt den ganzen Apparat gegen ihn in Marsch.
Doch Guttenberg scheinen in diesem Kampf Kräfte zuzuwachsen. Er wirkt jeden Tag fitter und motivierter. Jede neue militärische Ungeheuerlichkeit, die rauskommt, macht ihn wacher. Schon hört man raunen, der Luftschlag sei überhaupt kein Einzelfall. 30 bis 40 Luftschläge dieser Art soll es TÄGLICH geben, wenn auch in ganz Afghanistan. Und um Selbstverteidigung gehe es dabei wohl kaum. Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Die paar Tausend zotteligen und verzweifelten Bergbewohner mit ihren altersschwachen Gewehren und selbstgebastelten Zündern werden behandelt wie die 25-Millionen-Armee Stalins, die auf Berlin zumarschierte.
Gut, es handelt sich auch hier um einen Krieg – als wenn es um das Wort ginge! – aber um einen der widerlichsten und ungerechtesten, die je geführt wurden. Und ausgerechnet wir, die Nachkommen Hitlers, sind schon wieder mit von der Partie!
Wenn Guttenberg das rauskriegt, ist aber Schluß damit.

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