vonGerhard Dilger 26.11.2009

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Es ist still geworden um die “Fettmörder” aus den peruanischen Zentralanden, die Dutzende armer Bauern auf dem Gewissen haben sollen. Dabei wirbelten die Gangster, die angeblich Menschenfett für 15.000 Dollar pro Liter an europäische Kosmetikfirmen verkauften, am letzten Freitag furios durch die Weltpresse. Auf Websites wie Spiegel Online, aber auch auf taz.de gehörte die Räuberpistole zu den Klickfavoriten.

Begierig wurden die entsprechenden Agenturmeldungen aus Lima aufgegriffen und zusammengemixt. Die Opfer seien entführt und enthauptet worden, berichteten dpa, AFP und AP unter Verweis auf peruanische Medien und hohe Polizeioffiziere. Dann habe man die Leichen “an Haken über Kerzenflammen” aufgehängt, ihnen das Fett entnommen und sie anschließend verscharrt oder in einen Fluss geworfen.

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Stunden bevor die ersten Meldungen über die “Fettmafia” die deutschen Redaktionen erreichten, hatte in Peru die prominente Fernsehmoderatorin Rosa María Palacios bereits die “Volksverdummung” durch Kollegen und Polizei gegeißelt. In einer 8-Minuten-Reportage ihres Magazins “Prensa Libre” wurde die Story plausibel als “Narco-Märchen” entlarvt.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=OtuLcFxqusM[/youtube]

Auch andere Medien reagierten skeptisch.

Die Polizei hatte die Verdächtigen als “Pishtacos” bezeichnet – eine Aktualisierung des höchst lebendigen Pishtaco-Mythos, der in die Kolonialzeit zurückreicht. Damals fürchteten die Andenbewohner bärtige Weiße, die angeblich ihren Opfern im Auftrag der katholischen Kirche oder von Ärzten das Fett aussaugten. Heute, vermutet der Anthropologe Jaris Mujica, würden die Einheimischen eingeschüchtert, um Kokainrouten für Drogenkuriere frei zu machen.

Tatsächlich präsentierten die Polizeigeneräle der Presse am Donnerstag gerade einen Toten. Dass der Innenminister die Ermittlungen der Wichtigtuer dennoch als “seriös” bezeichnete, wie man der letzten dpa-Meldung zum Thema am Sonntag entnehmen konnte, ist wenig schmeichelhaft für Perus rechte Regierung. Den Blatt- und Portalmachern im fernen Deutschland wird das ziemlich egal sein.

taz, 26.11.2009

Der Peru-Experte Rainer Huhle vom Nürnberger Menschenrechtszentrum hat bereits 1990 eine kluge Studie über den Pishtaco-Mythos veröffentlicht. Darin schreibt er u. a. :

Der peruanische Staat ist seinerseits abhängig von weit mächtigeren ausländischen Regierungen. In den meisten Fällen ist die peruanische Regierung nicht das letzte Glied in der Kette der Fettausbeuter, sondern gibt den kostbaren Rohstoff ihrerseits weiter an Interessenten im Ausland, die ihn offenbar weitaus besser verwerten können. Vereinzelt wird die Verwendung des Fetts durch Industrien im Ausland zwar auch schon für die Kolonialzeit erwähnt , doch erst nach der Unabhängigkeit, mit dem Auftreten der nordeuropäischen und US amerikanischen „gringos“ gewinnt das Bild vom Fettexport Allgemeingültigkeit. Während die kreolischen Oberklassen sich in ihren Festreden auf Unabhängigkeit und nationale Größe in permanentem Selbstbetrug üben, und wohl auch lange vor der Entdeckung von Imperialismus  und Dependenztheorien durch die intellektuelle Linke in Lima, entwickelt die Andenbevölkerung ihre eigene, sehr eindeutige Vorstellung über die wahren Auftraggeber der „pistacos“. Sie sitzen im Ausland. Während die „gringos“ vorgeblich nach Gold, Silber, Kupfer, Salpeter, Guano, Kautschuk und anderen Rohstoffen suchen, beweist der „pistaco“ der Andenbevölkerung, dass auch die Ausländer letztlich nur an einem einzigen Rohstoff interessiert sind: ihrem Körperfett. Die Ausbeutung der Schätze der Erde, dies ist die Botschaft des „pistaco“, setzt die Ausbeutung der Menschen, die diese Erde bewohnen, voraus. Im Export des Menschenfetts wird aller übrige Rohstoffexport auf seinen wahren Begriff gebracht.

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https://blogs.taz.de/andenvampire_-_raeuberpistole_aus_peru_2/

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