Spinne ich oder spinnen die? Ich dachte ich hätte mich verkuckt als mir beim Anflug auf den Züricher Flughafen Kloten plötzlich aus den akkuraten Schweizer Spielzeug-Äckern unter uns das Firmenlogo von Syngenta entgegenlachte. Aber es war wohl keine Fata-Morgana …
Auch im Flughafen ist Syngenta präsent: „Wie ernähren wir eine wachsende Weltbevölkerung?“ fragt mich ein Plakat. „Weitere Anbauflächen erschließen?“ – am Horizont eines Maisfeldes steht noch ein Bisschen Wald.„Vorhandene Anbauflächen besser nutzen?“ Als Werbeflächen? Mit Gentechnikpflanzen, die nachweislich keine höheren Erträge bringen? durch Monokulturen?
Auf der Webseite des Konzerns findet sich mehr zu diesen Alternativen: „Entscheidungen über den Einsatz von Technologien in der Landwirtschaft müssen „entpolitisiert“ werden“, fordert Syngenta dort, nachdem es mit einiger Kunst eine Text-Mischung aus Nachhaltigkeitslatein, Chemie- und Gentechnik-Propaganda ausgebreitet hat.
Alles ganz schrecklich? Gewiß, es dreht sich einem der Magen um, wenn man gleichzeitig liest mit welchen Mitteln das geschehen soll: Paraquat zum Beispiel, einem der erfolgreichsten Pestizide des Unternehmens. Oder auch mit dem kategorischen Statement: „Die biologische Landwirtschaft bietet keine Vorteile für Gesundheit, Produktivität oder Nachhaltigkeit.“ Aber sehen wir es doch mal so: Selbst Syngenta muss sich Gedanken über Nachhaltigkeit machen.
Die grosse Diskussion, die nicht nur Syngenta gegenwärtig voranzutreiben versucht ist diese: Je geringer die Anbaufläche pro ErdenbürgerIn, desto mehr Ertrag müssen wir pro Hektar daraus herausquetschen. Was auf den ersten Blick logisch erscheint, verdeckt, dass trotz landwirtschaftlicher Überproduktion der Hunger und gleichzeitig die Verschwendung von Resourcen, einschließlich Nahrungsmitteln wächst. Die Erkenntnis, dass weniger deshalb häufig mehr ist und es nicht darauf ankommt, wieviel Masse wir produzieren, sondern wieviel gute Ernährung, verschließt sich bisher leider der Firmen-Logik. Denn damit ist für einen Chemie- und Gentechnikmulti leider einfach kein Geld zu machen. Schade eigentlich.
Vor einigen Jahren hatte der Konzern mich mal eingeladen, die Sicht von Gentechnik-Kritikern und NGOs vor seinen PR-Köpfen aus aller Welt auszubreiten. Wir hatten auch damals interessante Diskussionen am Vierwaldstädter See, gleich um die Ecke des hübschen Lokals, in dem wir jetzt unsere Konferenz gentechnikfreier Regionen abhielten und über Ernährungs-Soveränität diskutierten. Danach hatte ich es lange mit höchst alerten Firmenvertretern im Rahmen des Weltagrarberichts der Weltbank und der Vereinten Nationen zu tun. Doch dann wurden sie von der Konzern-Zentrale abgezogen, als sich abzeichnete dass die fünfhundert Wissenschaftler, die da über die Zukunft der Landwirtschaft einen Konsens herstellten, wohl kaum das hohe Lied der Nachhaltigkeit à la Syngenta singen würden, obwohl wir uns gemeinsam auf diese Wissenschaftler geeinigt hatten und auch Syngentas eigene Forscher dort vier Jahre lang mitgearbeitet hatten. Traurig. Denn alle Werbeflächen dieser Welt werden schließlich nicht ausreichen, um zu verdecken, dass Hunger sich nicht technisch aus der Welt schaffen läßt und dass wir eine wirkliche grüne Revolution in der Landwirtschaft brauchen. Derzeit ist Syngenta dabei, mit Volldampf selbst die Lösungsansätze, zu denen das Unternehmen beitragen könnte ohne dabei auf seine Profite zu verzichten, unterzupflügen. Das wird nicht gut gehen – weder für Syngenta noch für die Landwirte und die Hungernden auf diesem Planeten.