Sir David Attenborough ist der wohl mit Abstand berühmteste Tierfilmer bzw. Tierfilmpräsentator unserer Zeit, in Großbritannien gilt er laut Umfragen gar als „vertrauenswürdigster Mensch des Landes“. Die aufwändigen und originellen BBC-Reportagen, mit denen er bekannt wurde, sind die Flaggschiffe der gesamten Branche.
Umso erfreulicher, dass sich seine jüngste Fernsehserie ausschließlich den Reptilien und Amphibien widmet. In dieser Woche wird „Kaltblütig“ an jedem Abend um 20.15 Uhr auf arte gesendet – fünf mal 45 Minuten spektakuläre Aufnahmen, unterhaltsam und mit einer Prise angenehmem Humor dargeboten. Der Vorab-Zusammenschnitt, der an die Presse versendet wurde, erlaubt jedenfalls große Erwartungen. Jede Folge widmet sich einem anderen Aspekt aus dem Leben der Kaltblüter. Das Filmmaterial ist teils schlicht sensationell: Mit der Wärmekamera ergründet Attenborough die Wunder der reptilischen Thermoregulation. Wir sehen Meerechsen, wie sie beim morgendlichen Sonnenbad ganz schnell die Temperatur der erhitzten Felsen annehmen und die dann als kleine rote Schemen in den kalten Pazifik hinabsteigen, um dort Nahrung zu suchen. Oder wir sehen Seitenfleckleguane, die ihre soziale Hierarchie nach der Wärmespeicherkapazität von Steinhaufen ausrichten. Großartige Aufnahmen werden auch zu anderen Themen geboten: Seien es Maki-Frösche, die sich für den Tag in der Sonne gründlich einwachsen, seien es Pfeilgiftfrösche im ausdauernden Ringkampf. Sei es ein Python, der eine Hirschkuh verschlingt, seien es Baleareneidechsen, die in einer bemerkenswerten Form der Landwirtschaft ein übel riechendes Aronstabgewächs geradezu kultivieren.
Anders als in den Tierdokumentationen der jüngeren Zeit à la „Crocodile Hunter“ geht es bei Attenborough immer noch sehr sachlich und gesittet zu, wenn auch keineswegs dröge. Tricktechnik kommt dabei ebenso zum Einsatz wie gut platzierte Gag-Effekte. Dass dabei manchmal etwas die Sachlichkeit leidet – geschenkt. (Aber natürlich sind es nicht nur wenige Reptilien, die nachtaktiv sind, sondern mit den meisten Schlangen und Geckos sogar eine sehr stattliche Anzahl, wenn nicht gar die Mehrheit, um nur ein Beispiel zu nennen. Auch manche Pauschalaussage wie zur „Mutterliebe“ von Reptilien wünschte man sich doch einen Ticken differenzierter, immerhin beschränkt sich die Mutterliebe für ihren Nachwuchs der allermeisten Arten aufs rein Kulinarische).
Auf jeden Fall ist dieser Fünfteiler ein Fest für alle Reptilien- und Amphibienfreunde, und wer dem Reiz dieser Tiergruppe bislang nicht erlegen ist, der sollte es spätestens nach dem Ansehen dieser Dokumentarreihe sein. Und wen die Kaltblüter dann immer noch kalt lassen, der soll doch weiter sein freudloses Dasein damit verbringen, Uwe Tellkamp oder Günter Grass zu lesen.
Ein schönes Porträt samt Interview mit David Attenborough findet man im arte-Magazin.
Eine Art „best of“-Auswahl, eine Bildergalerie sowie einige nette Extras bietet die Homepage der BBC.
Alle Fotos: BBC/arte