vonBlogwart 18.04.2009

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(c) Maren Kraume / Fotoklasse der Reportagefotografie im Photozentrum am Wassertor der vhs Kreuzberg

Sie wissen nicht, was „weatherizing“ bedeutet? Macht nichts, der Soziologe Richard Sennett auch nicht. Seine Ehefrau Saskia Sassen hatte auf dem Podium „Entwertete Arbeit in einer globalisierten Welt“ diesen Begriff benutzt, um eine etwas lyrischere Formulierung für Phänomene wie die Stadtbegrünung zu benutzen.

Neue Worte zu schöpfen ist einer der „pragmatischen Schritte“, die Sassen vorschlug, um aus dem Konsumentendasein herauszukommen und die Passivität angesichts der Wirtschaftskrise aufzubrechen. Die Ökonomie müsse „zu unserer Sache“ gemacht werden und zwar indem neues Vokabular und neue Grundlagen für das Politische geschaffen werden, die nicht aus der bisherigen Politik kommen.

Kreativität in der Krise! Nicht nur mit „weatherizing“ begeisterte Sassen das Publikum, sondern auch mit der Formulierung von der Utopie als „Dampfbad“: schön warm, aber eine schnell verpuffte Idee.

In ihrer Lust am Blumigen schlug sie vor, statt utopischen Revolutionsvorstellungen nachzuhängen, die Ökonomie „wie ein Pferd zu reiten“,  um das Wirtschaftssystem in eine andere Richtung zu lenken.

Das Motto des tazkongresses habe sie zu den Pferden geführt, da sie mit diesem Hobby immer so etwas wie „Utopie und Freiheit“ verbunden habe, während sie sich in ihrer soziologischen Arbeiten immer mit Dystopien beschäftigt habe. Also die Zügel in die Hand und hoch zu Ross in eine bessere Welt galoppiert.

Doch zum Gegenstand der Diskussion: Mit ihrem Ehemann war sich Sasasen einig, dass der Glaube, aus dieser Krise könne ein wahrhafter „change“ oder gar eine Revolution hervorgehen, sich als hoffnungslos erweisen wird.  Ein paar neue Gesetze seien könnte diese Krise schon hervorbringen, mit denen kriminelle Investoren und Finanzspekulanten das Geschäft vermiest werden könnte.

Sennett hatte wenig dafür übrig, dass Gesetze etwas ändern könnten. Sein Vorschlag, wie sich die der Krise und dem Kapitalismus Gebeutelten gegen das herrschende System zu mobilisieren wären, ist die Neukonzeption der Idee Gewerkschaft. Nicht länger sollten die Gewerkschaften nach Fähigkeiten und Arbeitsbereichen organisiert sein, sondern nach lokalen Gemeinschaften. Denn eine von Sennetts Thesen ist, dass sich die Ausgebeuteten von den Gewerkschaften nicht mehr vertreten fühlten, weil es keinen Punkt mehr gebe, an dem sich ihr Leben mit dem der Gewerkschafter überschneide.

Nett, wie sich die beiden bekannten Soziologen einen Küchentischplausch lieferten, bei dem es aber nie grundsätzlich wurde.

Grundsätzlicheren Widerspruch hatte allerdings das Publikum. Beziehungsweise die vor den Türen des Theatersaals lautstark protestierenden Gäste, die nicht mehr in den hoffnungslos überfüllten Saal gelassen wurden. Doch was ist ein taz-Leser ohne pragmatischen Widerstand? Nach etwa 10 Minuten wurde die Veranstaltung unterbrochen, weil der Saal von den draußen Wartenden geentert wurde.

Sasken und Sennett nahmens gelassen und luden am Ende der Veranstaltung alle ein, mit ihnen draußen vor der Tür eine zu rauchen, um ein paar Fragen zu klären.

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