Ich hätte gerne »Österreichs Kultur ist auf den Hund gekommen« geschrieben. Aber es ist eine Katze geworden.
Alfred Komarek, Eva Rossmann, Michael Köhlmeier, Evelyn Schlag, Peter Henisch, Margit Schreiner, Erika Pluhar, Gerhard Roth, Robert Schindel, Elfriede Hammerl, René Freund, Paulus Hochgatterer, und andere mehr. Es liest sich wie ein Who-is-Who der österreichischen Gegenwartskultur, was sich da im neuen Residenz-Band mit dem Titel »33 Arten eine Katze zu lieben« versammelt hat.
Literarische Schnurren verspricht die Herausgeberin Ruth Rybarski, die sich in den Kultureradktionen von profil und ORF ihre Sporen verdient hat. Was aber soll ein Katzenbuch in einer Zeit, wo wir über Abwehrsysteme gegen ballistische Raketen aus dem Iran nachdenken müssen? Brauchen wir dieses Thema, wenn gleichzeitig der Verschleissfaktor bei der Entlohnung kaum mehr berücksichtigt wird und die Bezahlung der Arbeit unweigerlich zur Altersarmut führt, weil nichts gespart werden kann?
Österreichs Intelligenz sagt: »Ja!« Sie sagt: »Die Katze ist der bessere Mensch. Was kümmern uns unsere Sorgen, wenn nur genug Katzenfutter unter der Treppe steht. Streicht nicht auch Hans Dichand abends das Fell seines Hundes? Dem wollen wir doch was Flauschiges entgegen setzen.«
Ruth Rybarski teilt das, was wir gesellschaftliche Realität nennen, in Katzenmenschen und Katzenallergiker. Unter den Austropromis überwiegt die Gruppe der ersteren. Der Liedermacher Ludwig Hirsch erinnert uns – na hallo! – daran, dass noch nie wer »vor die Katzen gegangen ist«. Der Theologe Adolf Holl überlegt, welche Gebetshaltungen wohl Katzen einnehmen. Der Philosoph und Ernst-Bloch-Schüler Burkhart Schmidt teilt einfühlsam mit, seine Dissertation vor undenklichen Zeiten einer Katze gewidmet zu haben.
»Genug! genug!« meinen Sie. Dabei war das erst der Anfang.
Der Zeitungsmacher Armin Thurnher erzählt von einer rührenden Freundschaft zwischen Hund und Katz‘. Der Zeichner Rudi Klein lässt einen Katzenbesitzer verwirr und alt ausehen. Und der Doyen der österreichischen Architekturkritik, Friedrich Achleitner, erklärt dem Leser, dass Katzen »Einwohnereinwohner« sind. Einwohnereinwohner? Ja, weil sie bei Einwohnern wohnen.
Da haben wir schon herzhafter gelacht.
Nicht jeder, der in Österreich einen Namen hat, trägt ihn zu recht. Wie wenig Kulturverstand und Tierliebe zueinander passen, hat der Karikaturist Manfred Deix, der im Buch natürlich mit dabei ist, schon 1998 wissen lassen, als er seine zeichnerische Wochenschau im Magazin News zu einer Polemik gegen den Künstlerkollegen Hermann Nitsch nutzte. Damals ging es nicht um Katzen, sondern um den künstlerischen Nutzen von Tierkadavern.
Deix schilderte in besagter Zeichnung auf einer ganzen Seite die Aktion in Schloss Prinzendorf. Er liess einen grinsenden Metzger die Kehle von Schweinen und Kühen durchschneiden. Draussen, vor dem offenen Tor, protestierten schweigende Tierschützer mit deftigen Schrifttafeln, auf denen die Worte »Blutwixer!« und »Nitsch selber blade Sau!« zu lesen war. Und im Inneren des Schlosshofes taten sich drei blutbesudelte Zuseher am Buffet gütlich: »Wie kommt man eigentlich dazu, sich von diesen Tierschutzfaschisten einen schönen Tag verderben zu lassen?«
Will jemand von solchen »Tierfreunden« wie Deix noch ein Lob der Katze hören? Also ich nicht.
»Katzen haben seit Jahrtausenden Schriftsteller, bildende Künstler und andere weise Menschen zu Höchstleistungen motiviert«, gewiss. Von Baudelaire bis Ernst Jünger – unzählige kreative Köpfe haben auf die Mietzen ein Hohelied gesungen. Katzen leisten in diesem Buch Gesellschaft, wenn die AutorInnen vor dem Computer sitzen, Katzentiere kraulen hemmungslos grosse, weiche Busen, ein Kater nimmt überraschend Züge aus der Zigarette…
– Ich habe nichts gegen all das! Es ist harmoniesüchtig, also passend zur Zeit, ist sorglos albern bis hin zur Vertrottelung. Nur selten blitzt die mausfreie Realität der Katze auf, wenn etwa die Jüngsten im Wurf wegen drohender Überpopulation betäubt, im Müllsack erstickt und zur Sicherheit noch mit einem Ziegelstein erschlagen werden. Das Erstaunliche an solchen grausamen Passagen ist: Taucht die ungeschminkte Realität der Katze einmal aus dem Zuckerwattesüss auf, dann wirkt sie wie wenn in Gabriele D’Annunzios Prosa Welpen in einem Eimer ersäuft werden: schick, blass, dekadent.
Ich habe nicht gegen Katzen; nur ist Katzenliebe eben nicht ansteckend. Wie in diesem Sammelband über die sanften Vierpfoter gesprochen wird, das hat mehr mit Kitsch als mit Literatur zu tun: »Pimperl«, lese ich auf Seite 54, »die wunderschöne Glückskatze mit dem brauen M auf der Stirn, die Mutige und Selbstsichere, die Überkatze, die Urkatze…«
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass all diese namhaften Katzenmenschen unter den Prominenten Österreichs niemals eine solche Liebeserklärung an Menschenbabies abgegeben hätten.
Ruth Rybarski (Hg.): 33 Arten eine Katze zu lieben. Literarische Schnurren. 280 Seiten, Residenz Verlag: St. Pölten/ Salzburg 2007, ISNB-13 978 37017 1496 6, 19.90 EUR
© Wolfgang Koch 2007
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