vonDominic Johnson 03.06.2011

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Die taz renoviert ihre Büros, das legendäre Afrika-Archiv wird neu sortiert. In unregelmäßigen Abständen werden hier ab jetzt ausgewählte Fundstücke von aktuellem Interesse vorgestellt.

Hier: Das „Rom-Kommuniqué“ der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) vom 31. März 2005, in der die Miliz das Ende ihres bewaffneten Kampfes und die friedliche Rückkehr nach Ruanda ankündigt, sowie eine weitere FDLR-Erklärung wenige Tage später, in der sie das wieder relativiert. Das Rom-Kommuniqué war jüngst Thema beim laufenden Kriegsverbrecherprozeß gegen FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka und seinen Stellvertreter Straton Musoni vor dem OLG Stuttgart.

„Wir, Demokratische Kräfte Ruandas (FDLR), versammelt in Rom mit der Regierung der DR Kongo unter der Vermittlung der Gemeinschaft Sant’Egidio,…
…vor Gott, der Geschichte und dem ruandischen Volk erklären wir feierlich:
1. Die FDLR verpflichten sich, den bewaffneten Kampf einzustellen. Die FDLR entscheiden nunmehr, ihren Kampf in einen politischen Kampf zu verwandeln. Insoweit Begleitmaßnahmen identifiziert und umgesetzt werden, akzeptieren die FDLR die freiwillige Entwaffnung und friedliche Rückkehr ihrer Kräfte nach Ruanda. Sie verkünden jetzt schon, dass sie von jeglicher offensiven Operation gegen Ruanda absehen.
2. Die FDLR verurteilen den in Ruanda begangenen Völkermord und seine Urheber. Sie verpflichten sich, jede Ideologie des ethnischen Hasses zu bekämpfen, und erneuern ihre Verpflichtung, mit der internationalen Justiz zu kooperieren.
3. Die FDLR verurteilen den Terrorismus und die anderen Völkerrechtsverbrechen in der Region der Großen Seen. Und um ihren festen Willen zum Kampf gegen jede Form von Straflosigkeit zu unterstreichen, fordern sie die baldmöglichste Eröffnung einer internationalen Untersuchung, um diese Verbrechen zu qualifizieren und ihree Urheber zu identifizieren und zu bestrafen.
4. Die FDLR wünschen die Rückkehr der ruandischen Flüchtlinge in ihr Land gemäß den relevanten internationalen Normen und im Respekt der Rechte und Freiheiten des Menschen. Folglich verpflichten sie sich zur aktiven Involvierung im Programm ihrer freiwilligen Rückkehr nach Modalitäten, die mit der Regierung der DR Kongo, der Regierung Ruandas und der internationalen Gemeinschaft zu vereinbaren sind.
Zum Abschluß: Indem sie den politischen Kampf anstelle des bewaffneten Kampfes wählen, drücken die FDLR ihren festen Willen auf, zu einer nachhaltigen und friedlichen Lösung der Konflikte nicht nur in Ruanda sondern auch in der Region der Großen Seen beizutragen. Und um das zu tun, brauchen sie einen politischen Raum.
Gez. Dr. Ignace Murwanashyaka, Präsident.“

Zwei Tage später, am 2. April, zirkulierte die FDLR eine weitere Erklärung, in der sie die Probleme der Umsetzung ausführte. So garantiere das ruandische Parteiengesetz nicht, daß die FDLR frei als politische Partei in Ruanda tätig sein könne, und Ruandas Verfassung ermögliche eine „flagrante Einmischung der politisch-administrativen Autoritäten (die nichts anderes sind als die RPF) in das innere Funktionieren der Parteien“. Begriffe wie „Revisionismus“, „Negationismus“ und „Banalisierung des Genozids“ dienten dazu, politische Gruppierungen zu „disqualifizieren“. Problematisch seien auch die Gacaca-Verfahren. Viele ruandischen Flüchtlinge würden lieber woanders leben als in Ruanda; die Wiedereingliederungslager für Rückkehrer „erniedrigen die Hutu-Bevölkerungen“ und seien „Zentren der Gehirnwäsche“.
Weiter heißt es: „Es ist derzeit nicht einfach, sich ohne materielle und finanzielle Mittel auf der ruandischen politischen Bühne durchzusetzen. Kurz: man kann keine Politik ohne Mittel machen. Die Kämpfer haben über zehn Jahre im Urwald verbracht und ihre Konversion ins zivile Leben setzt finanzielle Unterstützung voraus.“ Ferner sei es angesichts von Massakern an ruandischen Hutu-Flüchtlingen im Kongo „evident, dass eine Kraft nötig ist, die die Sicherheit der entwaffneten Männer und der Flüchtlinge gewährleisten könnte“; die gegenwärtigen ruandischen Sicherheitskräfte auf lokaler Ebene „terrorisieren“ aber die Bevölkerung.

Die darin durchscheinende Forderung der FDLR nach einer eigenen bewaffneten Streitmacht, nach eigenen finanziellen Mitteln und nach einer Befreiung von den ruandischen Gesetzen sorgte schließlich dafür,
daß die Rom-Erklärung keine praktischen Folgen hatte.

Am 5. April 2005 veröffentlichte der UN-Nachrichtendienst IRIN ein Interview mit FDLR-Präsident Murwanashyaka, in dem sich dieser darüber beschwerte, die FDLR werde „diffamiert“. Hier ein Auszug:
„Frage: Sie sprechen von einem Friedensprozess, aber in diesem Augenblick wird gesagt, Ihre Kämpfer würden Kongos Armee in Nord- und Süd-Kivu angreifen, in Walungu, und Zivilisten werden vergewaltigt, ausgeraubt und getötet. Was sagen Sie dazu?
Antwort: Wer macht diese Anschuldigungen? Das sind Leute mit einem Interesse, uns zu diffamieren. Die Leute, mit denen wir ein Friedensangebot gemacht haben, beschimpfen uns. Ich komme gerade aus der DR Kongo. Ich kann Ihnen versichern, dass wo immer man die FDLR findet, es eine große kongolesische Bevölkerung gibt. Könnte das sein, wenn die FDLR sie tötet, vergewaltigt und ausraubt? Ich habe Nächte in Dörfern verbracht, wo die lokalen Menschen in Frieden mit der FDLR leben.“

Am 10. April 2005 reiste ein Team der UN-Mission im Kongo (Monuc) in die Kleinstadt Hombo, an der Grenze zwischen Nord- und Südkivu und ein Zentrum der FDLR-Aktivitäten in dieser Region, um herauszufinden, ob das Rom-Kommuniqué praktische Folgen habe. .Die Monuc berichtete über diese Reise zwölf Tage später wie folgt: „Die in Hombo getroffenen Offiziere (der FDLR) enthielten sich jeden Kommentars, weil sie auf den Besuch einer Delegation ihrer Hierarchie aus Rom warteten. Doch die kongolesische Bevölkerung, lange Zeit unter der Fuchtel dieser ehemaligen Kämpfer, beeilte sich, ihre Erleichterung auszudrücken: ‚Es ist höchste Zeit, dass die FDLR nach Hause gehen‘: Für die auf dem Markt und auf den Feldwegen getroffenen Bäuerinnen ist das der einzige Ausweg aus der Krise. Denn sie sind die Hauptopfer der von diesen Männern begangenen Übergriffe, gar Greueltaten. Der jüngste Fall ist der einer Frau, kein Einzelfall, die auf ihrem Feld von zwanzig ruandischsprachigen Männern vergewaltigt wurde und die bis heute keine medizinische oder soziale Versorgung hat. Die Landwirtschaft ist die Hauptaktivität der Bewohner von Hombo, aber heute, in Folge der Besetzung ihres einstigen Acker- und Weidelandes, gibt es weder Vieh noch Felder und noch weniger Sicherheit, da die FDLR hier ihr Reich errichtet haben.“

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https://blogs.taz.de/aus_den_archiven_i_die_rom-erklaerung_der_fdlr_und_die_folgen/

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