vonDominic Johnson 07.06.2011

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Die taz renoviert ihre Büros, das legendäre Afrika-Archiv wird neu sortiert. In unregelmäßigen Abständen werden hier ab jetzt ausgewählte Fundstücke von aktuellem Interesse vorgestellt.

Hier: Im Juni 2001 wurde Jean-Claver Habimana, Geheimdienstchef der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz ALIR (Ruandische Befreiungsarmee) in der Masisi-Region Ostkongos von Ruandas heutiger Armee gefangengenommen und nach Ruanda gebracht. Am 15. September 2001 hielt er vor abgesetzten ALIR-Kadern eine Rede, in der er darlegte, wie Kongos Regierung unter den Präsidenten Laurent-Désiré Kabila und Joseph Kabila die ruandischen Hutu-Kämpfer im Kampf gegen Ruanda seit 1998 militärisch unterstütze.

Die ALIR war damals Nachfolger der für den Völkermord in Ruanda 1994 mitverantwortlichen ehemaligen ruandischen Armee FAR, die danach in den Kongo geflohen war, und Vorgänger der heute aktiven FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). Sie bestand aus einer Guerilla ALIR I im von Ruanda und kongolesischen Rebellen besetzten Ostkongo und einem ruandischen Truppenkontingent ALIR II auf Seiten der damaligen kongolesischen Regierungsarmee FAC im Westen und Süden des Landes. Habimana gehörte zur Führung von ALIR I. Beide zusammen verschmolzen schließlich zum militärischen Flügel der FDLR, die im Ostkongo ab 2002 stärker wurde, nachdem Ruandas Armee von dort abgezogen war und die im Westkongo in Kongos Armee integrierten Truppen sich in den Osten begaben.

Hier der Hauptteil der Rede:

„Mit Kriegsausbruch zwischen Ruanda und Kongo unter dem Regime Désiré Kabilas erhielten wir gegen Ende September 1998 ein Satellitentelefon und GPS von Kinshasa. Wir kommunizierten mit den Kinshasa-Behörden, vor allem General Munene, darüber, wie uns Kinshasa materiell beliefern könnte. Ein System wurde errichtet.
– Am 17. September 1997 (gemeint ist wohl 1998) in Nyamuragira, Abwurf von 180.000 KV-Sturmgewehren (Kalashnikov) aus einer Antonov-12.
– Am 3. Dezember 1999 in Ngerere/Lubero, Abwurf von 2x MIAA, 100x KV, 6x RPG (Raketenwerfer), Antipersonenminen und ATK sowie 16 Radios aus Antonov-12.
– Am 1.-3. Mai 2000 in Masisi, genauer in Rubugu, Abwurf von Munition, 250x KV, ein Satellitentelefon und umgerechnet 20.000 US-Dollar in kongolesischen Franc aus Antonov-12.
– Seit 2000, Einrichtung eines Straßenkarawanensystems in Süd-Kivu zur BEschaffung von Material von ex-FAR, die mit Kabila kämpften. Dieses System läuft noch.
Beziehungen mit Désiré Kabila waren gut und alle Gespräche zwischen Kinshasa-Behörden und ex-FAR in Masisi wurden über ALIR II unter Führung von Oberst Ntiwiragaba und über einen Kongolesen aus Masisi namens Mahuku geführt.
Hervorzuheben ist, daß die ex-FAR in Kongos Armee FAC bezahlt werden, und dies ermöglicht ALIR II, Material zu kaufen und an ALIR I (Masisi) zu schicken.
Bekannte ALIR-Offiziere mit Kabilas Armee FAC sind Oberst Ntiwiragaba, Oberst Renzaho, Major Mugarugu-Mudacumura, Mpiranya und Kapitän Birikunzira.
Bekannte ALIR-I-Offiziere sind Brigadegeneral Rwarakabije, Oberst Iyamuremye, Oberst Rwagakinga, Oberst Nubaha, Oberst Ngendahimana, Oberst Karegeya.
Rekrutierung wird unter Flüchtlingsbevölkerungen vor Ort durchgeführt und sogar in Ländern mit ruandischen Flüchtlingen, wie Kongo-Brazzaville, Sambia, Zentralafrikanische Republik und Tansania. Stärke von ALIR I ist 14.000.
Die politische Organisation ist PALIR-FDLR.

Nach dem Tod von Désiré Kabila gab es keine Verschlechterung der Beziehungen zu Joseph Kabila, da das von seinem Vater errichtete System weiter funktionierte. Regelmäßige Kontakte zwischen ex-FAR in Masisi und Kinshasa laufen weiterhin über ALIR II (Oberst Ntiwiragaba) und die Beschaffungsroute in Süd-Kivu funktioniert noch. Ferner erhalten ex-FAR an der Seite der FAC weiterhin Lieferungen von Kinshasa (Ausrüstung, Medikamente, Gehälter usw.) und ihre Stärke ist über 40.000 Truppen.
Als die ex-FAR aus Masisi im Mai 2001 Ruanda angriff, war es mit der Zustimmung sowohl von ALIR II als auch der Kinshasa-Regierung. Hauptziel war, das Kigali-Regime zu destabilisieren, massiv zu rekrutieren und die Männer zurück nach Kongo zwecks Training und Ausrüstung zu bringen. Der Angriffsbeschluss wurde in Reaktion der Operationen von Ruandas Armee (RPA) gegen ALIR I getroffen, die zum Ziel hatten, uns auszulöschen.“

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https://blogs.taz.de/aus_den_archiven_ii_wie_kabila_die_ruandischen_hutu-kaempfer_bewaffnete/

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