vonDominic Johnson 13.06.2011

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Die taz renoviert ihre Büros, das legendäre Afrika-Archiv wird neu sortiert. In unregelmäßigen Abständen werden hier ausgewählte Fundstücke von aktuellem Interesse vorgestellt.

Im Mai 1997 hatte Laurent-Désiré Kabila an der Spitze seiner „Allianz der Demokratischen Kräfte zur Befreiung des Kongo“ (AFDL) mit militärischer Unterstützung aus Ruanda, Uganda, Angola und Simbabwe die Mobutu-Diktatur im damaligen Zaire gestürzt. Nur 15 Monate später, im August 1998, begannen enttäuschte ostkongolesische Militärs mit Unterstützung Ruandas und Ugandas eine neue Rebellion gegen Kabila, dem Angola und Simbabwe zur Seite sprangen – der zweite Kongokrieg hatte begonnen, er sollte Jahre dauern und das Land spalten und verwüsten. Wie kam es, daß Kabila seine Allianz nicht halten konnte? Ein paar Zufallsfunde von November 1997 und Januar 1998, in der Zeit „zwischen den Kriegen“.

IRIN (UN Integrated Regional Information Network) 24. November 1997: Die ruandische Stadt Giciye, Präfektur Gisenyi, ist wieder ruhig nach schweren Kämpfen infolge eines Versuchs von Rebellen, das Gefängnis zu stürmen. „Tagsüber geben sie sich als Zivilisten aus und nachts organisieren sie sich und greifen an“, sagt Ruandas Militärsprecher Richard Sezibera. Es sei möglich, daß die Rebellen Basen in der DR Kongo hätten, aber die beiden Armeen arbeiteten zusammen, fügte er hinzu. Vizepräsident Paul Kagame betonte ebenfalls, sein Land arbeite mit der DR Kongo zusammen. Es gebe „im Moment“ keinen Grund für Ruandas Armee, in Verfolgung von „Völkermordmilizen“ und ex-FAR die Grenze zu überschreiten.

IRIN 25. November 1997: In den Kivu-Provinzen gibt die Sicherheitslage laut der amtlichen Nachrichtenagentur ACP Anlaß zur Sorge. Nach Aussagen von Geschäftsleuten in Bukavu sei der Kivu-See der einzige noch sichere Handelsweg zwischen Nord- und Südkivu. Straßenverkehr zwischen Goma und Bukavu sei im Gebiet Minova besonders riskant aufgrund der Anwesenheit von Mai-Mai-Kämpfern, „die niemanden nilotischer Herkunft in ihrem Weg sehen wollen“, hieß es. Der Gouverneur von Süd-Kivu habe gesagt, daß manche Mai-Mai-Kämpfer in die reguläre Armee integriert worden seien, andere sich mit Interahamwe und ex-FAR verbündet hätten.

IRIN 26. November 1997: Der amtierende Stabschef der kongolesischen Armee, Kommandant Masasu Nindaga, ist verhaftet worden. Laut BBC umstellte ein großes Kontingent schwerbewaffneter Soldaten seine Büros, bevor er abgeführt wurde. Die Regierung hat die Verhaftung nicht bestätigt. Masasu, zuvor ein hoher Kommandeur in Präsident Kabilas einstiger Rebellenbewegung, war Stabschef, seit Kabila im Mai an die Macht kam.

IRIN 27. November 1997: Eine Aufstandsbekämpfungsbehörde ist innerhalb der kongolesischen Armee geschaffen worden, meldete das kongolesische Radio aus Bukavu. Ein Militärkommandeur aus Süd-Kivu betonte im Radio, die neue Behörde DEMIAP (Détection Militaire des Anti-Patrie) beschäftige sich nur mit der Armee. „Sie hat nichts mit der Zivilbevölkerung zu tun, mit der Verhaftung von Zivilisten oder der Beschlagnahme von Eigentum“, sagte er. RFI berichtet, ein Sicherheitsbeamter habe die Verhaftung des Armeestabschefs Major Masasu Nindaga bestätigt. Sein Büro sei von Hunderten Soldaten umgeben und alle Mobiltelefone seiner engen Freunde seien beschlagnahmt. Gründe für die Verhaftung von Masasu, der während des Befreiungskrieges Kabila sehr nahe stand und Vizepräsident der AFDL war, wurden nicht genannt. Politische Analysten sagten IRIN, der 28jährige Masasu sei verhaftet worden, nachdem er sich mit Kabila über den Umgang mit der Mai-Mai-Rebellion im Ostkongo zerstritten habe. Seine Verhaftung könne „schwerwiegende Folgen für die Zukunft der Allianz haben“. Sie folgt auf Berichte übver die Marginalisierung von AFDL-Generalsekretär Deogratias Bugera, ein Gründungsmitglied der Banyamulenge-geführten ADP und in den Tagen direkt nach Mobutus Stürz der zweitmächtigste Mann im Land. Masasu, dessen ruandische Tutsi-Mutter vor den Pogromen der späten 50er Jahre aus Ruanda floh, schloß sich 1993 der RPF an, bevor er ein Frontkommandeur im Kampf zum Sturz Mobutus wurde. Sein Vater, eine Führungsperson der Shi-Ethnie, ist einflußreich in der Region um Uvira.

IRIN 28. November 1997: Schweres Gewehrfeuer brach am heutigen Freitag nachmittag im Stadtzentrum von Kinshasa und um den Präsidentenpalast aus, berichteten Agenturen. Sporadische Schußwechsel wurden bereits vergangene Nacht und diesen Morgen gehört. Bewohner Kinshasas berichteten gegenüber IRIN von großen Truppenbewegungen in der Hauptstadt, aber sagten, die Gründe für die Schüsse seien unklar. Unterdessen haben Unterstützer des verhafteten Armeechefs General Masasu Nindaga gesagt, er werde zu Unrecht eines Putschkomplotts beschuldigt, und haben gewarnt, seine Verhaftung könne eine ernste Spaltung in der Regierungspartei herbeiführen. Laut Agenturen betont die Regierung, seine Verhaftung habe „disziplinarische“ Gründe, doch sei sie ein Zeichen tiefen Zwists innerhalb der AFDL, angeblich zwischen Präsident Kabila und seinen Anhängern aus der südlichen Provinz Shaba (Katanga) und einigen Soldaten aus dem Osten, die Masusu treu sind. RFI berichtete gestern, AFDL-Generalsekretär Deogratias Bugera habe sich öffentlich hinter Masasu gestellt. Bugera habe ihn als „verläßlich“ beschrieben. Doch Außenminister Bizima Karaha verteidigte zum Abschluß eines dreitägigen Besuchs in Nairobi Masasus Verhaftung mit der Begründung, er sei in „zweifelhafte Aktivitäten“ involviert. Karaha sagte, er sei in Nairobi zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen und Präsident Daniel arap Moi habe versprochen, exilierte kongolesische politische Dissidenten an die Leine zu nehmen. Amnesty International hat Alarm über das Schicksal von elf Führern der Oppositionsgruppe Forces du Futur (FF) geschlagen, die am Dienstag verhaftet wurden, während sie sich in Kinshasa trafen. Laut AI sind die Männer gefoltert worden und medizinische Behandlung werde ihnen verweigert. Zu ihnen gehört FF-Präsident Zahidi Arthur Ngoma. Zehn Journalisten wurden ebenfalls bei dem Treffen mitgenommen und wurden verprügelt und ihrer Geräte beraubt, sagte Reporter ohne Grenzen. In einer weiteren Erklärung äußerte AI seine Sorge über die Sicherheit zweier Menschenrechtsaktivisten. In Goma bat ein hoher Kommandeur der 10. Armeebrigade die fliehende Bevölkerung aus Häusern nahe des Flughafens, zurückzukehren. Die Menschen seien in Panik geraten, als Soldaten und schwere Waffen am Flughafen landeten. Der Kommandeur sagte, dies sei „für die Sicherheit des Flughafens und der Bevölkerung“.

IRIN 28. Januar 1998: 21 Menschen, die wegen Mordes und bewaffneten Raubüberfalls beschuldigt waren, wurden gestern im Tshatshi-Militärlager von Kinshasa durch ein Exekutionskommando hingerichtet, berichtet der kongolesische Rundfunk. Es seien sowohl Zivilisten als auch Soldaten gewesen, deren Berufungen von Präsident Kabila abgelehnt worden seien.

NCN (New Congo Net) 28. Januar 1998: Laut Reuters waren die Hinrichtungen öffentlich und es waren die ersten Massenhinrichtungen in Kinshasa seit die AFDL im Mai 1997 die Macht übernahm. Im Januar wurden bereits 18 Soldaten öffentlich in einem Fußballstadion von Goma hingerichtet. Die amtliche Nachrichtenagentur ACP meldete am 27. Januar eine Erklärung des provinziellen Sicherheitsrates von Bas-Congo über die militärischen Unruhen in Matadi am 21. und 22. Januar. Der Rat erkannte an, daß manche Elemente der kongolesischen Armee von der Schußwaffe Gebrauch gemacht hatten, aber sagte, es habe keine Plünderungen gegeben. Reuters hatte am 22. Januar gemeldet, kongolesische Soldaten hätten im Hafen Matadi gemeutert. BBC meldete „ernsthafte Zwischenfälle mit Soldaten in zwei Hafenstädten“, Matadi und Boma; mehrere hochrangige Offiziere seien verhaftet worden. Reuters meldete, die Meutereri sei Ergebnis der Veruntreuung von Sold durch zwei hohe Offiziere. Die Streitkräfte in dieser gesamten Region seien volatil, zusammengesetzt aus verschiedenen Elementen, unter anderem ein großes Kontingent ehemaliger Mobutu-Soldaten (FAZ), die im Lager Kitona neu trainiert werden. AP berichtet, die Kämpfe seien nicht von lokalen Soldaten unter Kontrolle gebracht worden sondern von rund 200 Soldaten, die per Luft aus Kinshasa entsandt wurden.

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