vonBenjamin Kiersch 25.03.2010

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Wer die Geschichten der Atacamawüste hören will, kann 20 Stunden nach Santiago de Chile fliegen, dort einen Bus Richtung Arica nehmen, weitere 20 Stunden nach Norden fahren, sich irgendwo nördlich von Antofagasta an der Panamericana aussetzen lassen, am besten an einer verlassenen Siedlung einer Salpetermine, sich auf einen Stein setzen, den Blick in die flimmernde unendliche Weite schweifen lassen und den Geschichten lauschen, die einem die Wüste erzählt. Oder aber man kann in die Buchhandlung seines Vertrauens gehen und irgendein Buch von Hernán Rivera Letelier erwerben, sich auf eine Bank im Park oder zu Hause aufs Sofa setzen, und zu lesen beginnen.

Hernán Rivera Letelier. Foto: La Estrella de Iquique

Hernán Rivera, Jahrgang 1950, ist in der Atacama aufgewachsen. Er erzählt von der Wüste, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als der Salpeter, der dort abgebaut worde, zu den wertvollsten Rohstoffen der Welt gehörte. Er erzählt von den Menschen, die den leeren Versprechungen der Salpeter-Barone folgten und aus dem fruchtbaren Süden Chiles nach Norden zogen, um Tag für Tag unter der sengenden Sonne der Atacama Steine zu brechen. Menschen, die von den Minenbetreibern ausgebeutet wurden, dem Alkohol verfielen, sich vergeblich gegen ihre Peiniger auflehnten. Er erzählt in glühenden Farben von den Hoffnungen dieser Menschen, ihren Passionen, ihrem Humor, ihrer Absurdität und ihrer blühenden Phantasie, die mitten in der trockensten Wüste der Welt ein surreales Paradies entstehen lässt.

Längst ist man nicht mehr auf einer Bank oder auf dem Sofa, sondern mitten in der Atacama. Man ist Teil der Geschichte, teilt das Schicksal dieser einfachen und außergewöhnlichen Menschen, freut sich, leidet, ärgert sich, trauert mit ihnen, hasst sie und verliebt sich in sie – und wacht erst wieder auf, wenn das Buch zu Ende ist.

Völlig zu Recht hat Hernán Rivera Letelier diese Woche für sein neues Buch „El arte de la resurreción“, den Alfaguara-Preis gewonnen, einem der wichtigsten iberoamerikanischen Literaturpreise, gewonnen.

¡Felicidades, Hernán!

PS – Stelle gerade fest, dass es ein einziges Buch von Hernán Rivera Letelier in deutscher Übersetzung zu geben scheint: Lobgesang auf eine Hure (spanisch: La Reina Isabel cantaba rancheras). Vielleicht findet sich ein Verlag, der diesen großen chilenischen Autor auch dem deutschsprachigen Publikum näherbringt?

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