Eigentlich ist eine Woche ja viel zu kurz, um sich in der Fremde zu akklimatisieren. Seit Sonntag arbeite ich nun als Aushilfskraft in der Hamburger Redaktion und habe mich immer noch nicht dran gewöhnt, wie gemächlich die Tage hier beginnen: Um 10 Uhr ist Konferenz, dann recherchiert man ein bisschen rum oder kocht sich nen Tee (wovon der Kollege Diehl, knapp Ü31, Unmengen in seinem Schreibtisch hortet) – und dann … ja, dann wartet man eigentlich erstmal aufs Mittagessen. So wie ich gerade.
Meistens gehen die Kollegen fast geschlossen in die Kneipe „W3“, die zur „Werkstatt für Kultur und Politik“ gehört, die sich hier in Altona für Völkerverständigung einsetzt, also zu den Guten gehört. Da sitzt man dann in geselliger Runde und isst Solides wie Spaghetti, Bratkartoffeln oder Gemüsereis mit Ei. Als tazler bezahlt man dafür zwei Euro weniger als die anderen Gäste – vorausgesetzt man hat eine Visitenkarte dabei. Da ich meine immer vergesse, hieß ich diese Woche schon „Jan Kahlcke“ und „Annika Stenzel“.
Überhaupt sind die Kollegen sehr hilfsbereit und geben sich große Mühe, mir den Kulturschock so erträglich wie möglich zu machen, indem sie dem Gast aus Berlin etwa ein Fahrrad zur Erkundung der neuen Umgebung leihen oder gleich ein ganzes Zimmer. Sie ertragen sogar seine grenzenlos orgininellen Ideen wie ein Interview mit „Großstadtrevier“-Hauptdarsteller Jan Fedder oder mal was über eine Initiative zu machen, die alternative Führungen auf die dunkle Seite des Kiezes (für Außenstehende und RTL2-Gucker: die „sündige Meile“ Reeperbahn) anbietet.
Die Zeitungsproduktion geht dann so richtig erst nach dem Mittagessen los – in meinem Berliner Job ersetzt sie es häufig. Während die Medienseite (zumindest auf dem Papier) einen Redaktionsschluss von 14.30 Uhr hat, schicken die Hamburger Kollegen ihre letzte der in der Regel vier Seiten erst kurz nach 19 Uhr in die Druckerei.
So, das reicht fürs Erste. Wann geht denn jetzt hier endlich mal wer Mittagessen???
David Denk, 29, Aushilfsredakteur taz Nord