vonClaudia Mussotter 14.11.2008

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Die Berge des Alicantiner Hinterlands sind verhangen an diesem regnerischen Herbstnachmittag. Wir starten von Benidorm und biegen im Industriegebiet von La Nucía auf die gut ausgebaute CV-70 ein, die sich höher und höher Richtung Alcoy schlängelt. Benimantell lässt man rechts liegen. Nun ist es nur noch ein kurzes Stück auf der Carretera de Alcoy nach Benifato, dann steht am Ende des kleinen Orts einsam die Venta von Benifato.
Als noch keine Autos fuhren, diente dieser Haltepunkt dem Ausspannen von Mensch und – im wahrsten Sinn des Wortes – Tier. Heute kann man eine Wanderung, einen Ausflug in dem 100 Jahre alten Haus mit einem vorzüglichen Mahl beenden, das uns mit der regionalen Küche der Sierra Aitana, dem Dach der Provinz Alicante, bekannt macht.
Hier oben in der grünen Berglandschaft ist es deutlich kühler. Ein kleiner Traktor mit Anhänger steht vor der Venta, drinnen lehnen sich Landwirte und Geschäftsleute, Menschen aus Benifato, an den Tresen; ein Liebespaar am Tisch daneben konnte sich offensichtlich noch nicht zum Heimweg aufraffen.
Das in den Jahren zwar mehrmals renovierte, aber immer noch sehr rustikale Interieur bringt uns die Vergangenheit zurück. Es ist gleich auf den ersten Blick gemütlich. Zwei große Kamine versprechen auch bei niedrigeren Temperaturen warme Füße. Ins Auge stechen ein paar Zwiebeln, so groß fast wie ein Kürbis. Andere Kuriositäten brachte der Mann mit dem Traktor auch. Zwei rote Paprikaschoten, festgewachsen an einem Stiel, und eine gelbe! Aubergine, die jeder Papaya in puncto Größe Konkurrenz machen könnte.
Die Küche ist schon geschlossen, aber Óscar Soler Frasés, in der vierten Generation mit seiner Frau Melisa für den Service zuständig, räumt noch auf. Die Venta de Benifato ist ein reiner Familienbetrieb, Mutter Pepita steht in der Küche, Vater Antonio ist für den Grill auf der Terrasse zuständig, der jeden Tag angezündet wird. Im Sommer, wenn die Ausflügler von ihrer Tour zurückkehren, kann man auch draußen sitzen.
Das heißt nicht, dass jetzt im Herbst viel weniger los ist. Am Wochenende, wenn ganze Gruppen kommen, empfiehlt es sich zu reservieren, denn mehr als 70 Plätze fasst die Venta nicht, und die Küche ist gefragt. Hier werden einfache, traditionelle Gerichte der Region serviert, die beste Zutaten versprechen: Mandeln, die so typisch fürs Bergland sind; Öl von den eigenen Oliven; die Mispeln brachten einst die Araber mit. Das sind denn auch die drei Pfeiler der Landwirtschaft rund um Benifato; dazu kommt noch etwas Tourismus.
Obst, Gemüse und Kräuter wachsen zum Teil in Vaters Garten: Kardenartischocken etwa – und Tomaten, die getrocknet und beispielsweise mit Oregano und Anchovis serviert werden. Und so wird auch ein Licor de Hierbas, Kräuterlikör, angesetzt, und selbst der beliebte Mistela stammt aus Eigenproduktion.
Doch nicht nur Hausgemachtes wird offeriert. Beeindruckend ist die Weinkarte. Das ganze Sortiment von Enrique Mendoza aus L’Alfàs del Pi in der Marina Baixa ist vorrätig – wie es der Linie des Hauses für Regionales entspricht. Dazu die feinsten Tropfen Spaniens, nach D.O.s sortiert.
Die Gerichte sind traditionell: Olletas, wie liebevoll die Ollas, Eintöpfe, genannt werden, die ihre Zeit auf dem Herd brauchen. Hier oben beruht ihre Grundlage nicht nur auf Reis, sondern auch Weizen. Die Weizenkörner werden eingeweicht, geschält und im Mörser zerkleinert. Je nach Zone nennen sich die vornehmlich in Tonkasserollen zubereiteten Olletas de Trigo zum Beispiel „Olleta de Blat“ oder „Blat freixat“ im Guadalest-Tal, in Alcoy „Blat picatoder“ oder etwa Olleta de Sant Antoni im Medio Vinalopó.
Eine Spezialität der Region sind auch die Pilotes de Dacsa oder Bordes, Fleischklopse, die mit Maismehl hergestellt werden. Hier das Rezept:

Pilotes de Dacsa
200 g Maismehl, 150 g Schweinehack, 4 Knoblauchzehen, Paprika, Oregano, Pfeffer, Weißbrotkrumen, Petersilie, Öl, Milch und Salz
Weißbrotkrumen einweichen, ausdrücken und mit Maismehl und Hackfleisch mischen. Etwas Paprika in Öl braten und zu der Hackmasse geben. Im Mörser eine so genannte Picada herstellen aus Knoblauch, Petersilie, Salz, Pfeffer und Oregano und ebenfalls unter die Hackfleischmasse mischen. Klopse formen und in der Brühe eines Puchero (Eintopfs) – zum Beispiel von zweierlei Trockenbohnen, Mangold, Speck, Wurzelgemüse wie Pastinake, Möhre, Steckrübe und weiße Rübe garen.

Ein anderes typisches und ebenso kräftiges Gericht im Gebiet der Sierra Mariola ist Pericana. Es besteht aus Ñoras (kleinen getrockneten roten Paprikaschoten), Knoblauch und Stockfisch, alles geröstet. Die Paprika wird gemörsert, der Stock- bzw. Klippfisch, wie er richtig heißen müsste, so klein wie möglich gezupft, das Ganze dann mit gutem Olivenöl übergossen.
Auch frischer Fisch steht in Benifato auf der Karte, in einer Auswahl wie an der Küste. Aber das sollte doch eher dem Sommer und dem Badeurlaub vorbehalten bleiben. Denn gerade wenn es kühler wird, sind die Köstlichkeiten der Bergregion angesagt: gebratenes Lamm, Reis und Kaninchen, im Herbst frische Pilze und zum Dessert vielleicht ein Kürbis aus dem Ofen.

Bon profit!

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 19 Uhr. Essen kann man von 13 bis 16 Uhr, am Samstag und Sonntag bis 17 Uhr. Montags ist geschlossen. Tel.: 965 885 226.
Tipp: Empfehlenswert sind die Wanderrouten – etwa zur Fuente de Partagas. Im Internet zu finden unter
http://passondeamigos.blogspot.com/2007/08/la-fuente-de-partagas.html oder  http://www.topwalks.net/de/marina_baixa.htm

Fotos: Ángel García/Alicante

 

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