Werden Leonardo DiCarprio und Michail Gorbatschow am Montag abend dem schwedischen Dokumentarfilmer Frederik Gertten den diesjährigen „Green Film Award“ des Cinema for Peace überreichen oder geht der vielleicht doch eher an den ebenfalls nominierten Avatar? Wie auch immer die Jury entscheidet, Gerttens Film „Bananas!“ ist ein erschütternder, mutiger und kontroverser Film. Berlinale Besucher sollten ihn nicht verpassen. Denn noch ist ungewiss ob er je in deutschen Kinos zu sehen sein wird. Die Weltfirma Dole, von deren Bananenarbeitern er handelt, versucht ihn mit allen Mitteln zu unterdrücken; zumindst solange die Öffentlichkeit sich dies gefallen läßt. Erst Boykottaufrufe gegen Dole in Schweden konnten Dole davon überzeugen, eine Klage, die sie gegen Gertten in den USA angestrengt hatten, wieder zurückzunehmen. Das wirft Fragen über die Freiheit von Film und Meinung auf, die weit über diesen Fall hinausgehen. Dole ist der größte von fünf internationalen Bananen-Unternehmen, die 90 Prozent des weltweiten Bananenhandels kontrollieren.
Diese Geschichte beginnt vor mehr als 40 Jahren: 1969 führen amerikanische Bananen-Unternehmen, darunter auch die Firma Standard Fruit (heute Dole), ein neues Pestizid ein. Nemagon (auch
DBCP, wissenschaftlich1,2-Dibrom-3-chlorpropan) tötet Fadenwürmer im Boden. Zu diesem Zwecke werden Bananenplantagen in Nicaragua, Hundoruas, Ecuador, Costa Rica, aber auch in Afrika und den Philippinen großflächig mit dem Gift beregnet.
1975 stuft die US-Umweltbehörde EPA Nemagon erstmals als potentiell krebserregend ein. Als 1977 feststeht, dass 35 von 114 Arbeitern in einem Nemagon-Werk der Firma Dow Chemical unfruchtbar sind, verbietet Kalifornien das Pestizid. Über andere Gesundheitsschäden wird unter Toxikologen unterschiedlicher Arbeitgeber weiterhin gestritten.
Während die Konkurrenz von Chiquita und Del Monte daraufhin auf Nemagon verzichtet, fängt für Standard Fruit hier der Einsatz scheinbar erst richtig an. Obwohl Dow nur noch gegen Freistellung von allen Schadensersatzansprüchen zu liefern bereit ist, bestellt der Konzern weiter, droht für den Fall der Verweigerung gar mit einer Klage wegen Vertragsbruches. Als das Gift 1979 auch in Costa Rica verboten wurde, verschiffte der heute weltweit größte Lieferant von Bio-Bananen, die Restbestände zum Einsatz auf seinen Plantagen nach Honduras. Erst als die EPA zum Schutze der Verbraucher auch Rückstände auf den Früchten zu regulieren beginnt, verzichtet das Unternehmen auf den Einsatz.
In Nicarargua, wo sich Dole nach dem Sieg der Sandinisten zurückgezogen hat, wurde tausenden von Arbeitern Entschädigung in Milliardenhöhe zugesprochen – uneintreibbar. In anderen Ländern wie Costa Rica und Honduras speist man betroffene Bananeros mit lächerlichen Beträgen zwischen 300 und 1000 Dollar ab. Doch dann droht im Jahre 2007 der giftige Schatten der Vergangenheit die Firma einzuholen. Findigen US-Anwälten war es gelungen, einen ersten Fall vor einem US-Gericht zu verhandeln (ein Coup, den Dole sogleich grundsätzlich als Anschlag auf das US-Rechtssystem verurteilt) und für sechs der zwölf Kläger die erkleckliche Summe von 3,3 Millionen Dollar Schadensersatz sowie eine Strafe von 2,5 Mio Dollar gegen den Konzern wegen bösartiger Absicht zu erstreiten.
Von diesem Fall handelt „Bananas!“. Der Film dokumentiert ohne Kommentar die Arbeit der Anwälte, die die 12 Plantagenarbeiter vertreten. Er nimmt uns mit in ihr Heimatdorf, wo ein ehemaliger Dole-Arbeiter, der an Krebs gestorben ist, beerdigt wird und der Pfarrer gegen ruchlose Profiteure predigt, lässt seinen Sohn und seine ebenfalls krebskranke Frau zu Wort kommen, zeigt Arbeiter-Versammlungen, auf denen der „Held“ des Films, ein aus Kuba stammender US-Anwalt, Brandreden über einen langen Krieg hält, den man gemeinsam gewinnen könne, er fährt mit dem Anwalt auch in dessen rotem Ferrari in Miami mit und dokumentiert die Verhältnisse auf den Plantagen. Er läßt auch den damaligen Chef von Standard Fruit in Nicaragua, heute Vize-Präsident von Dole ausführlich zu Wort kommen und natürlich den Anwalt der Firma, der einigen der Arbeiter hart zusetzt. Er endet mit dem Sieg im November 2007, weist aber im Abspann auch darauf hin, dass Dole Berufung eingelegt und in einem anderen Fall gewonnen hat.
Das Urteil läßt die Welt aufhorchen. Der Spiegel berichtet Ende 2007, dass mit insgesamt 60.000 Betroffenen gerechnet wird. Weitere Fälle sind anhängig. Für Dole wird es eng. Auf seinen Anwalt, der zum Ausgang des ersten Prozesses den Arbeitern noch jovial zu ihrem „neuen Reichtum“ gratuliert und die gegnerischen Anwälte dennoch bedauert, weil sie mit dem Urteil kaum ihre Kosten eingespielt hätten, kommt harte Arbeit zu. Sein Team und die PR Abteilung von Dole leistet in den folgenden Monaten ganze Arbeit.
Zunächst gelingt es, in zwei weiteren Fällen, die Richterin durch Zeugen, deren Identität geheim gehalten wird und die unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Kreuzverhör vernommen werden, davon zu überzeugen, dass die Beweiserhebung und Rekrutierung der Opfer in Nicaragua mit falschen Versprechen, gefälschten Tests und einstudierten Lügen vonstatten gegangen sei. Die eingetragene Republikanerin, die unlängst von Arnold Schwarzenegger in Kaliforniens Appellationsgerichtshof befördert wurde, lässt es an harten Worten nicht fehlen: Das Ausmaß der Verschwörung und Fälschungen mache es so gut wie unmöglich, weitere Klagen von Nemagon-Opfern anzunehmen, verkündet sie. Dole-Eigentümer David L. Murdock, der die Firma 2003 von der Börse nahm und damit ihre öffentliche Berichtspflicht drastisch reduzierte, finanzierte Schwarzeneggers letzten Wahlkampf übrigens mit über 300.000 Dollar.
Für Dole begann nun eine Öffentlichkeitskampagne, in der es nicht mehr um die Frage geht, ob Bananen-Arbeiter durch den Einsatz von Pestiziden geschädigt wurden, sondern darum, mit welchen Methoden geldgierige US-Anwälte in einem von Korruption zerfressenen Nicaragua Kundschaft akquirieren. Dass derartige Praktiken vorkamen erscheint keineswegs ausgeschlossen. Recherchen von Journalisten, die sich nach dem David-gegen-Goliath-Fall auf diese Mann-beißt-Hund -Geschichte stürzten deuten darauf hin. Anwälte, Gewerkschafter und Anti-Gewerkschafter, die sich in wechselnden Allianzen um das Wohl ihrer Klienten sorgten, scheinen dabei nicht nur den eigenen Gewinn fest im Auge gehalten, sondern auch der Wahrheit nicht immer oberste Priorität gegeben zu haben. Die wird in einigen der Fälle nun wohl auf der Strecke bleiben und mit ihr die Ansprüche der Bananenarbeiter auf späte Wiedergutmachung. Gegen den in „Bananas!“ portraitierten Anwalt ist ein Betrugsverfahren anhängig. Sein Partner hat sich von dem Fall zurückgezogen.
In der Berufungsverhandlung, die für März dieses Jahres angesetzt ist, kämpfen die Anwälte mit dem Problem, die Zeugen, auf die sich die Berufungsrichterin bezieht, weder zu kennen noch einvernehmen zu können. Dies macht es schwer zu überprüfen ob und wie sie beispielsweise von Dole zu ihren Aussagen bewegt wurden.
Für Doles Vize-Präsidenten Michael Carter ist der Fall damit klar: „in Wahrheit gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg, dass DBCP nicaraguanische Bananen-Arbeiter steril gemacht hat“, verkündet er im Juni 2009.
Bleibt der unliebsame Film: Zunächst fordern Doles Anwälte Frederik Gertten auf, sowohl den trailer als auch den ganzen Film nicht weiter vorzuführen. Anders als sonst üblich beanstanden sie nicht etwa einzelne Szenen des Films (welche auch?) sondern stellen sich auf den Standpunkt das ganze Machwerk beleidige und verleumde ihre Firma. Als Gertten sich resistent zeigt und „Bananas!“ gar als Wettbewerbsfilm im Los Angeles Film Festival nominiert wird, gehen dessen Sponsoren zunächst 100-seitige Dossiers der Firma zu. Unter welchen genauen Umständen auch immer wird der Film aus der offiziellen Konkurrenz um den mit 50.000 Dollar dotierten Filmpreis gestrichen. Dass er überhaupt gezeigt werden darf wird erst in einer Krisensitzung der Jury zwei Stunden vor der Aufführung endgültig entschieden.
Dole klagt nun gegen Gertten auf Schadensersatz und Unterlassung. Er soll nicht einmal mehr über den Inhalt des Filmes öffentlich sprechen dürfen. Die Versicherung des US-Verleihs will dieses Risiko nicht eingehen. Dem Filmemacher steht das ungewohnte juristische Wasser bis zum Hals. In seinem online-Tagebuch beschreibt Gertten diese Achterbahn-Erfahrung. Doch dann ergreifen Aktivisten und schließlich auch konservative wie sozialdemokratische Abgeordnete des schwedischen Reichstags die Initiative. Ihnen geht es um die Verteidigung der Freiheit von Meinung und Kunst. „Bananas!“ läuft im Reichstag. Als die ersten schwedischen Unternehmen sich anschließen und mit Boykott drohen, lenkt der Multi schließlich ein. Zwar sei man nach wie vor davon überzeugt, dass der Film beleidigend sei und die Öffentlichkeit desinformiere, doch weil die „freedom of speech“ auch Dole ja sehr am Herzen liege, ziehe man den Fall zurück.
Erreicht hat Dole zumindest in den USA, dass über seine Verantwortung für den Pestizideinsatz und dessen Folgen nicht mehr diskutiert wird. Der spin macht die Musik und läßt die freundlichen Bilder auf der Webseite des Konzerns, auf der wir eingeladen werden, seine Plantagen via Google-Earth zu besuchen, wieder so sonnig erscheinen wie sie wirken sollen. Dole ist mittlerweile der größte Bio-Bananenhändler der Welt (auch wenn dies kaum 4% seines Umsatzes ausmacht) und Fairtrade-Partner (auch wenn die Firma dabei nur als Transporteur und Handelspartner und nicht selbst als fairer Produzent agiert).
Seine eisern durchgehaltene Strategie, keine Fehler zuzugeben, die den Konzern beispielsweise vom Erzrivalen Chiquita unterscheiden, scheint aufzugehen. Oder ist die Dole-Banane doch ein wenig krummer als sie scheint?
Hier finden Sie die Aufführungen und Diskussionen um den Film.
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