vondorothea hahn 05.07.2010

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Der Duft von Barbecue weht durch das Land. Begleitet von den Klängen der Nationalhymne. Und dem Donnern von Feuerwerken.

In Washington hat meine Vermieterin mir für diesen Tag einen Stapel weiß-rot-blauer Plastikteller und -becher hinterlassen. Doch das patriotische Einmal-Geschirr muss auf ein späteres Picknick warten. An diesem vierten Juli bin ich in Louisiana.

Auch da wünschen sich die Leute einen: „Happy Fourth of July“. Vor Häusern flattern weiß-rot-blaue Fähnchen. Babies krabbeln in Strampelanzügen mit Stars und Stripes-Aufdrucken herum. Bei Frauen baumelt die Fahne am Ohr. Und Männer haben sich Krawatten in den patriotischen Farben und Mustern um den Hals geknotet.

Doch Enthusiasmus kommt im Deep South nicht auf. Das Öl aus der „Deepwater Horizon“ hat die Party versaut. Der 234. Geburtstag fällt zusammen mit dem 74. Tag nach der Explosion der Ölbohrplattform. Zahlreiche Orte am Meer haben ihre Feuerwerke abgesagt. Die Strände, an denen sie gewöhnlich stattfinden, sind wegen Öl gesperrt. Und es gibt die Angst, dass Funken aus den Feuerwerken Öllachen im Meer in Flammen setzen könnten. Abgesagt sind auch die Angelausflüge, die sonst an diesem Tag die Bayous mit Booten voller Menschen und Lärm füllen. Das Krebsekochen im Mississippidelta. Und die Familienfeste im Schatten der Häuser auf den hohen Stelzen, die so aussehen, als kämen sie direkt aus einem Dali-Gemälde.

Manche Küstenbewohner reden in diesem Jahr über den 4. Juli, als befänden sie sich in einem neuen Unabhängigkeitskrieg. Gegen dieselben alten Feinde. An die Stelle der Krone ist eine Aktiengesellschaft getreten: „British Petroleum“.

Ich erlebe den 234. Unabhängigkeitsfeiertag in Thibodaux. Eine Autostunde westlich von New Orleans, wo sich im 17. Jahrhundert französische und deutsche Siedler am Mississippi-Ufer nieder gelassen haben, feiern ihre Nachfahren im Peltier Park.

Wenn US-Amerikaner ihre Geschichte feiern, sind Religion und Militär nicht weit. Das ist im Peltier Park nicht anders. Da können Jugendliche an diesem Tag in einen Jeep aus dem Koreakrieg steigen und sich von Soldaten in Uniform das Funktionieren von Kanonen und Mörser am Objekt erklären lassen.

Um 2 Uhr am Nachmittag unterbricht die Band ihr Spiel. Die tanzenden Paare kehren auf ihre Plätze zurück. An ihrer Stelle kommen drei Dutzend Vietnam-Veteranen auf die Tanzfläche. Sie stellen sich in lockerer Formation, in Reihen zu dritt und viert, zum militärischen Salut vor der Tribune auf. In ihren Turnschuhen, kurzen Hosen, Altersbäuchlein und T-Shirts wirken sie wie eine Operettenarmee. Als der Militärpfarrer ans Mikrofon tritt, wird die Szene noch bunter. Während der Pfarrer von „Opferbereitschaft“, „Freiheit“, „Gerechtigkeit“, sowie alten und neuen Kriegen für diese und andere 4-Juli-Leitmotive spricht, halten die Veteranen ihre Schirmmützen wie Schilder über ihre linken Brustseiten. Manche Mützen sind rot, andere grün oder gelb. Einige sind patriotisch dekoriert. Auf anderen prangen Werbeslogans von örtlichen Geschäften und von Versicherungen, von denen manche auch die Party im Park gesponsort haben .

Anschliessend hissen die Veteranen eine Fahne. Schiessen sieben örtliche Polizisten 21 Schüsse in die Luft. Flattern weiße Tauben aus einer roten Plastikkiste in die Freiheit. Und trompetet ein Uniformierter die Nationalhymne. Dann geht die Party weiter.

„Happy birthday America“, hat die benachbarte Baptistenkirche auf die Leuchttafel in ihrem Vorgarten geschrieben. An diesem Sonntag ist das Land eine Person.

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