Die Welt am Sonntag hat ein Interview mit unserer scheidenden Chefredakteurin Bascha Mika geführt:
Welt am Sonntag: Frau Mika, Sie waren etwas mehr als zehn Jahre Chefredakteurin der taz. Warum verlassen Sie die Zeitung?
Bascha Mika: Von 1988 an war ich zehn Jahre als Nachrichtenredakteurin und Reporterin bei der taz, elf Jahre als Chefredakteurin. Insgesamt eine schöne Zeit. Vielleicht wäre ich nach zehn Jahren gegangen, aber dann hatte ich letztes Jahr die unverschämte Idee, eine Sonntagszeitung zu machen, die am Samstag erscheint. Die gibt es nun seit Kurzem. Und 30. Geburtstag haben wir auch gefeiert. Zwei gute Endpunkte nach einem längeren Prozess des Nachdenkens …
… der nun zu einem glücklichen Ende kam?
Ja, glücklich, irgendwie. Das kann ich aber noch nicht unbeschwert sagen. Nach 21 Jahren taz: Lust auf etwas Neues, ganz klar. Aber Trauerarbeit muss ich auch erst mal leisten.
Vor Ihnen war es nicht gerade üblich, dass sich jemand in der Chefredaktion der taz ganze elf Jahre gehalten hat. Wie haben Sie das geschafft?
Ich hatte immer, was für die taz besonders wichtig ist, großen Respekt vor den Kolleginnen und Kollegen und ihrer Leistung – habe aber den Anspruch auf Führung und Gestaltung nie aufgegeben. Ich denke, dass ich eine ganz gute Balance hinbekam. Führung ist hier keine Selbstverständlichkeit.
War Ihr Job mit dem Hüten eines Sackes von Flöhen vergleichbar?
(lacht) Ein Sack Flöhe – das stimmt nicht ganz. Die taz lebt ja davon, dass sie viele Ideen, ein großes kreatives Potenzial und entsprechend eigenständig denkende Köpfe hat. Das geht manchmal in ganz unterschiedliche Richtungen. Meine Kunst bestand darin, das alles zu bündeln.
Waren Sie nicht Kanzlerin, sondern Bundespräsidentin der taz?
Unsinn. Zwar habe ich die Zeitung immer gern nach außen vertreten. Wir sind ein armes Blatt – was wir nicht ins Marketing stecken können, habe ich so zu kompensieren versucht. Aber darüber hinaus habe ich drei große und mehrere kleine Blattreformen gemacht, zwei komplette Redesigns und die Redaktion mehrfach um- und ausgebaut. Das klingt nicht gerade nach Präsidentin.
Aber nach Mutter der Kompanie?
Oh Gott. Wenn Frauen in Führungspositionen kommen, gibt es für sie nur das Rollenschema Mutter oder Xanthippe. Furchtbar!
Vielleicht waren Sie ja, wie ein früherer taz-Kollege schrieb, die Queen?
Na ja, das geht auch zu sehr in Richtung Präsidentin. Es klingt zwar erst ganz hübsch, aber ich habe mindestens dreimal so viel Energie wie die Queen – und nicht solche Hüte.
Was gefällt Ihnen an der taz?
Dass wir mit wenigen Ressourcen journalistisch eine Menge hinbekommen. Und mir gefällt unsere Beweglichkeit, mit der wir – manchmal mit etwas abgedrehten Ideen – unsere Existenzberechtigung beweisen.
Und was missfällt Ihnen?
Dass wir nicht genügend ökonomische Sicherheit haben und noch immer keine normalen Gehälter zahlen können.
Und inhaltlich?
Ich bin nie zufrieden mit dem, was wir machen. Typisch Frau. Und richtig ärgere ich mich, wenn wir ein Thema, bei dem es sich anbietet, nicht taz-gemäß aufbereiten oder handwerklich danebenhauen. Dafür sind mangelnde Ressourcen keine Entschuldigung.
Wie muss man sich heute den durchschnittlichen taz-Leser vorstellen?
Den gibt es nicht. Wir haben eine sehr heterogene Leserschaft. Um zwei Gruppen herauszugreifen: Wir haben Leser, die schon lange an die taz gebunden, sehr gebildet und gut situiert sind. Sie verdienen prima, übernehmen überall gesellschaftliche Verantwortung. Dann gibt es die sehr viel Jüngeren, noch nicht Arrivierten mit weniger Geld – die sich im gesellschaftlichen Engagement nicht gegenüber der Verantwortungselite unterscheiden.
Es gibt keine Momente, in denen Ihnen der nostalgische 68er aus Ihrer Leserschaft auf die Nerven geht?
Selbstverständlich ärgere ich mich immer wieder über unsere Leser – so wie die über uns. Das hält den Adrenalinspiegel auf beiden Seiten hoch.
Ist die taz auch eine freiheitlich-liberale Zeitung?
Was meinen Sie damit?
Nun ja, sieht sie sich in der Tradition des Freiheitsgedankens und des damit verwandten liberalen Denkens?
Die taz entstammt dem früheren linksalternativen Milieu, das inzwischen in alle Richtungen diffundiert ist. Die taz kommt ja eher aus der Sponti- und nicht aus der dogmatisch linken Ecke.
Das hat sie mit mir gemein.
Ich weiß. Und daher ist der Freiheitsgedanke für die taz immer extrem wichtig gewesen. Wir hatten stets beste Kontakte zu den Freiheitsbewegungen der Dritten Welt oder den Bürgerrechtsbewegungen etwa in Polen oder der DDR.
Aber auch ehemalige Terroristen und mindestens einen Stasi-Mitarbeiter in Ihren Reihen.
Vor Verrätern ist niemand sicher, wie die DDR-Geschichte zeigt. Und bekehrten Terroristen die Möglichkeit zur Rehabilitation zu geben ist doch eine gesellschaftliche und moralische Selbstverständlichkeit – auch wenn es in der Springer-Presse verteufelt wird.
Und das Liberale?
Den Begriff der Liberalität würde ich nicht bemühen, ganz einfach, weil er völlig verludert ist.
Durch die FDP?
Klar.
Sie fahren drei Wochen nach Finnland. Warum in das kühle Land?
Das wundert mich auch. Ich habe mir nie vorstellen können, in einer Hütte am See zu sitzen ohne garantierten Sonnenschein. Jetzt trau ich mich.
Werden Sie angeln?
Angeln ist eigentlich keine dumme Idee. Ich würde es aber nie fertig bringen, einen Fisch zu schlachten. Wenn der Fisch nicht verletzt würde, könnte mir der sportliche Aspekt Spaß machen. Aber töten – nee.
Was machen Sie danach?
Da dürfen Sie mir nicht groll sein – darüber möchte ich jetzt nicht reden.
Das Interview führte Thomas Schmid.