vonsaveourseeds 01.07.2009

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Mit einem Staffellauf, zu dem Ottfried Fischer in München vor der Presse den Startschuss gab laufen Bauern seit fünf Tagen Richtung Berlin um für ihr Konzept „Bauernmilch“ zu werben. Sie werden hier am morgigen Donnerstag, pünktlich zum Abschluss des diesjährigen deutschen Bauerntages (in Stuttgart) erwartet.  Der Preis der „Bauernmilch“ selbst orientiert sich allerdings, wie die rechte Hand des deutschen und bayrischen Bauernpräsidenten Gert Sonnleitner, Markus Seemüller, erklärte wesentlich am internationalen Spotmarkt. Denn die meiste Milch exportiert der Hersteller. Immerhin: Sauer wird die Milch in der Tüte bis Berlin nicht werden: Sie ist nur als H-Milch erhältlich und wird bei Lidl und real vermarktet.

Die „Bauernmilch“ entstand im vergangenen Jahr als Reaktion auf Erpressungsversuche von Müller-Milch, die Bauern höhere Preise versprach, wenn sie aus ihrer Milcherzeugergemeinschaft Augsburg-West austreten. Daraufhin lief die Erzeugergemeinschaft mit 45 Millionen Litern Jahreserzeugung geschlossen zur Raiffeissengenossenschaft MPO aus Miesbach über. Die MPO ist ein Handelsunternehmen, das die Milch der Miesbacher Erzeugergemeinschaft und anderer vor allem ins Ausland exportiert. Ihr wichtigster Markt ist Italien.

„Aus reiner Solidarität“ habe die MPO die Augsburger Milcherzeuger aufgenommen, meint der Bauernverband, und eine spezielle Vertriebsschiene für deren Milch ins Leben gerufen. Auf Vermittlung von Sonnleitner habe sich Lidl bereit erklärt die „Bauernmilch“ ins Regal (genauer gesagt auf die Palette, türkise Tüten links) zu stellen. Seit einiger Zeit wird sie nun auch bei „real“ verkauft.

Die Auszahlungspreise, die die MPO ihren Lieferanten zahlt, sind allerdings am Milchmarkt orientiert und liegen im bayrischen Durchschnitt. Initiator Seemüller, zugleich Geschäftsführer der Bayern MEG, die seit 2006 rund 1,4 Milliarden Jahresliter an Milch ihrer Mitglieder vertritt und vermarktet und dabei dern Interessen gegenüber den Molkereien und anderen Abnehmern vertreten soll. Wie der Bauernverband und die Raiffeisengenossenschaften tritt sie nicht für eine Fortführung der Quotenregelung oder ähnliche Mengenbegrenzungen zur Kontrolle des Milchpreises ein. Ihr Ziel ist es laut Satzung, den Absatz „den Erfordernissen des Marktes anzupassen“. Dazu kann sie auch selbst als An- und Verkäufer auftreten. Angesichts der Verfilzung des Bauernverbands auch mit den genossenschaftlichen Abnehmern der Milch ist seine Rolle bei der Milchpreisfindung zunehmend in die Kritik auch der Bauern geraten.

Auch das Geschäftsgebahren der MPO war Gegenstand massiver Kritik. Aus Schadensersatzforderungen, die sie gegen eine Bäurin erhob, die wegen niedriger Milchpreise wieder kündigte, ergibt sich, dass die MPO bei einem Auszahlungspreis von 25 Cent pro Liter für sich einen Gewinn von 18 Cent veranschlagt. Der Gewinn aber geht an die Genossen der MPO, die nur teilweise noch selbst Milch produzieren, nicht an die Lieferanten.

Seit die „Bauernmilch“ auch bundesweit vertrieben wird, kommt die Milch ihrer Produktpalette auch längst nicht mehr allein aus Bayern, geschweige denn aus den Bergen, die ihr Logo zieren, sondern von grossen Milchverarbeitern aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen und Franken, die ihren Lieferanten hierfür keine besonderen Bedingungen bieten.

Unterm Strich also muss man wohl von einem Vermarktungstrick des Bauernverbands-Syndikates sprechen, das „regional“ und „fair“ als Markenzeichen nutzen will ohne dies tatsächlich auch zu liefern. Was die wackeren Bauernmilch-Läufer morgen durchs Brandenburger Tor tragen werden ist jene 08/15 Milch, die dank der vom Bauernverband, seinen Genossenschafts-Strategen und den Discountern (rechts Sonnleitner mit „real“ Oberen und der Chefin der MPO auf der Grünen Woche) betriebenen Liberalisierungspolitik den Kleinbauern das Wasser bis zum Hals stehen läßt und die Steuerzahler mit Exportsubventionen und no-name Produkten belohnt – jetzt auch noch in der Mogelpackung.

Wer in die nicht immer einfachen Details der Milchpreispolitik der MPO und der Bayern MEG tiefer einsteigen will, kann dies auf dem Diskussionsforum „landlive“ tun.

Beim Bauerntag in Stuttgart wurde Sonnleitner gerade mit 97% wiedergewählt. Danach erteilte Angela Merkel der Milchmengenbegrenzung eine klare Absage und forderte stattdessen eine weitere Konzentration im Molkereibereich, damit Deutschland „fit für den Export“ wird. Sie dankte dem DBV ausdrücklich: „Sie haben sich nie gegen den freien Handel gestellt.“ Ihr Nachredner (Merkel: „Jetzt ist es geschafft, Herr Westerwelle ist da“) stimmte die Bauern auf schwarz-gelbe Liberalisierungstaten ein: „Ich finde das, was die Kanzerlin gesagt hat richtig und überzeugend. Jetzt muss es nur noch so kommen. Und dafür bin ich da.“ Franz Müntefering versprach danach, die SPD wolle sich für eine Ausweitung der Kennzeichnung gentechnisch veränderter Produkte einsetzen.

Sonnleitner und sein Brandenburger „Milchpräsident“ Udo Folgart (SPD, „Protestaktionen bringen nichts“) schritten zuvor in Stuttgart für die Fotografen gemeinsam zu einem Stunt, der schon ans Lächerliche grenzt: Aldi böse, Lidl gutt? Wäre ihre Protest-Tüte nicht leer, hätte sie die beiden Milch-Strategen schon erschlagen.

Milchstunt von Bauernpräsident Sonnleitner und seinem Kronprinzen Udo Folgart

P.S. So, jetzt erwarten wir aber wirklich mal action von der internet taskforce des dbv!

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https://blogs.taz.de/bauernmilch-tuete_laeuft_-_fuer_raiffeisen_und_den_bauernverband/

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