vonClaudius Prößer 06.03.2009

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Krise, Krise, Krise, das böse Wort ist überall und längst auch in Chile angekommen. Auch hier fallen Börsenkurse und Renditen, schrumpfen Nachfrage und Produktion, verkommen die Rohstoffpreise. Nur die Angst vor Arbeitslosigkeit und Armut wächst.

Dabei ist Chile im regionalen Vergleich nicht schlecht aufgestellt, findet Osvaldo Kacef von der UN-Wirtschaftskommission für La­tein­ame­ri­ka, der Cepal, die ihren Sitz in Santiago hat. „Chile ist auf die Kri­se besser vorbereitet als andere Staaten, weil es mit staat­li­chen Aus­ga­ben sehr zu­rück­haltend war. Gewinne aus dem Kupferexport wurden angespart, weshalb jetzt Mittel zur Verfügung stehen, die bei Bedarf in die Wirtschaft eingespeist werden können.“ Und Chiles Finanzstaatssekretärin María Olivia Recart fügt hinzu: „Wir haben angesichts der internationalen Krise unsere Hausaufgaben gemacht und können beachtliche Stärken vor­wei­sen: regulierte Bank-, Pensions- und Aktienmärkte sowie eine Staats­ver­schuldung in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts – fast die niedrigste in der Geschichte des Landes.“


Geld ist also noch da. Tatsächlich haben der anhaltend hohe Kupferpreis und eine Haushaltsüberschuss-Politik in den vergangenen Jahren eine Devisenreserve von 26 Milliarden US-Dollar angehäuft. Jetzt liegt das Kupfer wie, nun ja, Blei in den Regalen, und laut dem monatlichen Index Imacec ist die wirtschaftliche Aktivität im Januar um 1,4 Prozent geschrumpft – so viel wie seit der Asienkrise im Jahr 1999 nicht mehr. Präsidentin Michelle Bachelet hat bereits angekündigt, ein vier Milliarden Dollar schweres Konjunkturprogramm aufzulegen, um einem allzu starken Anstieg der Arbeitslosigkeit vorzubeugen. Die Zentralbank sekundiert ihr, indem sie gerade zum dritten Mal innerhalb von drei Monaten den Leitzins drastisch senkt.

Trotzdem ist die Krise längst unten angekommen. Ein besonders sprechendes Beispiel ist dabei Chiles größte Baustelle, auf der seit Ende Januar die Arbeit ruht. Es handelt sich um das Costanera Center des Einzelhandelsimperiums Cencosud, ein gigantisches Projekt in San­tia­gos Stadtteil Providencia, dessen prominentester Teil ein Hoch­haus werden soll. Nicht irgendeines, sondern das höchste Lateinamerikas und, nach einem australischen Wolkenkratzer, das zweit­höchste auf der Südhalbkugel. (Fragt sich, wer in einem Erdbebenland wie Chile freiwillig ein Büro im 60. Stock bezieht, aber das steht auf einem anderen Blatt.)

Quelle: Wikipedia.

Dass die Kräne sich nicht mehr drehen, bedeutet für den Bauherrn Cencosud natürlich einen gewaltigen Imageschaden. Die Holding betreibt hunderte von Supermärkten (u. a. Jumbo) Baumärkten und Kaufhäusern in Chile und Argentinien, zuletzt ist die von dem deutschen Einwanderer Horst Paulmann gegründete und geleitete Gruppe, deren Umsatz im Jahr 2007 fast 8 Milliarden Dollar betrug, nach Peru, Kolumbien und Brasilien expandiert. Das Costanera Center soll bzw. sollte dem boomenden Geschäft die Krone aufsetzen – mit dem alle Dimensionen der Stadt sprengenden Turm, einer sechs Stockwerke umfassenden Shoppingmall, zwei Hyper-Märkten und mehreren Hotels.

Schlimm ist es nicht, wenn die Welt bzw. Chile auf diese Kauf­ka­the­drale noch ein bisschen warten muss. Böse hat das Jahr freilich für die 2.800 Bauarbeiter begonnen: Einem Drittel von ihnen wurde bereits fristlos gekündigt, der Rest wartet noch.

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