vonHeiko Werning 22.05.2010

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So, allmählich wird es Zeit, mich hier mal wieder zurückzumelden. War ein bisschen viel los in jüngster Zeit. Zum Wiedereinstieg ein Kommentar, den ich für die heutige taz geschrieben habe:

Weit weg von Frankenstein

Das ist mal eine Überraschung im Jahr der Biodiversität 2010: Während weltweit eine Art nach der anderen verschwindet, bastelt Craig Venter in seinem Labor einfach was Neues zusammen; und während der Klimawandel von den Mietmäulern der Fossilenergiekonzerne noch als wahlweise nicht existent oder als nicht anthropogen verursacht zurechtgelogen wird, bietet ExxonMobil Venters Leuten 600 Millionen Dollar, damit sie Organismen bauen, die ebenjenes vom Menschen in die Luft geblasene CO2 dort wieder herausholen sollen.

Die Wissenschaftler um Venter haben in der Tat einen wichtigen Meilenstein in der sogenannten synthetischen Biologie gesetzt. Allerdings haben sie nichts substanziell Neues entdeckt, vielmehr sind sie einen zwar großen, aber doch letztlich folgerichtigen Schritt weiter gegangen. Bildlich dargestellt: Das nach natürlicher Vorgabe künstlich hergestellte Erbgut eines Mycoplasma-Bakteriums hat eine nahe verwandte Wirtszelle gekapert und, nach einigen Teilungen, vollständig übernommen: ein neuer Organismus ist somit entstanden. Abgesehen davon also, dass das neue “Geschöpf” eher wenig spektakulär anmutet, ist solch ein technischer Vorgang ziemlich weit entfernt von allen Frankenstein-Fantasien. So kann sogar die katholische Kirche noch recht entspannt auf die vermeintliche neue Konkurrenz ihres Chefs blicken und verlautbaren, man lasse den Forschungen “Aufmerksamkeit und Sympathie” angedeihen.

Ob durch die synthetische Biologie tatsächlich globale Probleme gelöst werden können oder solche nicht durch sie erst entstehen, ist völlig ungewiss. Gewiss ist hingegen, dass genug Bedrohungen schon jetzt sehr real sind. Der Schutz von Lebensräumen und Klima ist da zielführender, als darauf zu hoffen, dass Venter dereinst kleine Wunderwesen heranzüchtet.

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