- Ist das die Zukunft der Landwirtschaft? Konzeptentwurf einer Vertical Farm (Foto: Fabrice Henninger und Alexander Dabringhausen)
Mitte 2011 werden circa 7 Milliarden Menschen auf diesem Planeten leben. Mehr als die Hälfte davon in Städten, bis 2050 soll dieser Anteil sogar auf 70 bis 80 Prozent steigen. Wie man die stetig wachsende Bevölkerung möglichst ressourcenschonend und mit gesunder Kost satt bekommt, ist eine der Kernfragen dieses Jahrhunderts. Die Lebensmittelversorgung revolutionieren könnten so genannte „vertical farms“. Dahinter steckt die Idee, landwirtschaftliche Produkte in eigens dafür errichteten Hochhäusern zu produzieren. Nicht irgendwo auf dem Land, sondern mitten in der Stadt. Neben dem Anbau von Obst und Gemüse könnten auch Nutztiere gehalten und beispielsweise Fische in Wassertanks gezüchtet werden. Während sich dann die Wasserbecken in den unteren Stockwerken befänden, würde man weiter oben Obst, Getreide und Gemüse anpflanzen.
Die Anordnung der Produktionsebenen orientiert sich dabei an der Logik der natürlichen Nahrungskette. So würden Pflanzenreste aus dem Obst- und Gemüseanbau zur Fütterung der Hühner dienen. Regenwasser könnte gesammelt und zur Bewässerung der Pflanzen und Kühlung des Gebäudes eingesetzt werden. Außerdem entfielen die langen Transportwege landwirtschaftlicher Produkte zu den städtischen Konsumenten. Auch der im Vergleich zu konventionellen Äckern und Bauernhöfen relativ geringe Flächenverbrauch würde sich positiv auf die Umweltbilanz auswirken. Und durch das in sich geschlossene und kontrollierbare System könnte man große Mengen an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln einsparen. Zusätzlich würde die Sauerstoffproduktion der Pflanzen für besseres Klima im Umfeld eines “vertikalen Bauernhofes” sorgen.
Die Idee an sich ist gar nicht so neu: Im Jahre 1999 stellte der New Yorker Professor Dickson Despommier das Vertical Farming Konzept der Öffentlichkeit vor. Mit seinen Studenten errechnete der Mikrobiologe und Experte für Umweltgesundheit, dass eine 30 Stockwerke hohe Farm bis zu 50.000 Menschen mit Obst, Gemüse, Eiern und Fleisch versorgen könnte. Abgesehen davon brächten entsprechende Gebäude grüne Farbtupfer in die grau-tristen Betonlandschaften vieler Städte. Und man stelle sich nur die Büroangestellten einer Großstadt vor, die in der Mittagspause eben mal Heidelbeeren pflücken gehen und ihren Cappuccino mit frischer – wirklich frischer – Milch genießen. Natürlich könnten die Erzeugnisse auch gleich in einem eingebauten Supermarkt angeboten werden – alles Gute kommt von oben.
Die Vision der “vertikalen Farm”, der Bio-Höfe mitten in der Stadt reizt Architekten und Stadtplaner seit Jahren. Jedoch hat dieses Konzept auch einen großen Haken: Die meisten Nutzpflanzen benötigen sehr viel Licht, um optimal wachsen und gedeihen zu können. Und in einem Gebäude über mehrere Etagen steht die natürliche Sonneneinstrahlung nur eingeschränkt zur Verfügung. Der Energieaufwand für die künstliche Beleuchtung der Pflanzen wäre laut Kritikern so hoch, dass die positiven Umweltaspekte relativiert werden würden. Durchgesetzt haben sich entsprechende Entwürfe jedenfalls bis heute nicht – ob es vielleicht auch an der immer noch eher schlechten Luft in den meisten Städten liegt?
Weitere Informationen: raumspielkunst.de
Text: Michael Kulmus
Foto: Fabrice Henninger, Alexander Dabringhausen