Fernsehen in den USA ist manchmal spannend. Heute war wieder so ein Tag: Da hat der demokratische Kongress-Abgeordnete Anthony Weiner in einer halbstündigen Pressekonferenz vour laufenden Kameras eine Beichte abgelegt, die selbst Reality-TV-erfahrenen JournalistInnen vorübergehend die Sprache verschlagen hat. Es ging um Sex und Wahrheit.
Der Abgeordnete gibt zu, dass er gelogen hat. Gesteht, dass er „ungefähr sechs“ Frauen in den vergangenen drei Jahren – und zuletzt am vergangenen Freitag – „unangebrachte“ Fotos und Texte im Internet geschickt habe. Sagt schluchzend: „Ich habe eine große Dummheit gemacht. Es war sehr, sehr dumm“. Entschuldigt sich bei seiner Frau, bei seiner Familie, bei seinen KollegInnen und bei seinen WählerInnen. Antwortet auf Fragen von hunderten von JournalistInnen. Begründet seine Lügen damit, dass er sich „geschämt“ habe. Wischt sich Tränen aus den Augen. Und verlässt den Konferenzraum erst, als ein Reporter nach technischen Details seiner Erektion fragt.
Weiner ist ein Mann vom linken Flügel der DemokratInnen. Und einer der wortgewaltigsten RednerInnen im Repräsentantenhaus. Seine Auftritte zugunsten der Gesundheitsreform im vergangenen Jahr waren theaterreif. Doch bei seiner Fernsehbeichte, wirkt der 46jährige wie ein kleiner Junge, der erwischt worden ist.
Seit die rechte Webseite Biggovernment.com berichtet hat, der Abgeordnete habe Fotos von seiner stark ausgebeulten Unterhose an eine Studentin in Seattle gemailt, interessiert sich niemand mehr für Weiners Politik. Das Wort „Weiner-Gate“ macht die Runde.
Der Abgeordnete zieht eine Woche lang durch die US-Medien. Und lügt wie gedruckt. Mit jedem neuen Interview manövriert er sich tiefer ins Abseits. Er ist sich nicht „sicher“, ob es sich um seine Unterhose handelt. Er bestreitet, dass er sie per Mail verschickt hat. Und er spricht von „Hackern“, die seine Facebookseite und sein Twitter-Konto unterwandert hätten. Aber er schaltet die Polizei nicht ein.
Unterdessen schiesst sich die rechte Blogosphäre auf ihn ein. Und witzelt der mit ihm befreundete Satiriker Jon Stewart vor einem Foto der fraglichen Unterhose, „so gross“ sei das nun wirklich nicht. Weiners zusätzliches Pech: Sein Name. Der wird in den USA wie die Würstchen aus Wien ausgesprochen und bedeutet zugleich: „Pimmel“. Unter halbwüchsigen Jungen auf den Schulhöfen des Landes ist das Wort ausserdem ein Synonym für: „Depp“.
Mit seinen Auftritten der letzten Woche hat Weiner sich diesen Namen redlich verdient. Auch wenn er mit den „ungefähr sechs“ Frauen nicht einmal realen Sex gehabt haben will. Er sagt, dass er keine von ihnen je getroffen habe. Dennoch hält er es für „unwahrscheinlich“, dass unter seinen Internet-Sex-Partnerinnen Minderjährige sind.
In seiner Fernsehbeichte gibt Weiner zu verstehen, dass er in Therapie gehen wird. Und er sagt der Fernsehnation, dass er seine Ehefrau, die er im vergangenen Juli geheiratet hat, liebt und dass er mit ihr zusammen bleiben will.
Im Gegensatz zu anderen betrogenen Politikergattinnen ist Huma Abedin bei seiner Pressekonferenz nicht dabei. Sie arbeitet als Beraterin der gegenwärtigen Aussenministerin Hillary Clinton. Und tat das auch schon in den 90er Jahren, als die noch First Lady war und im Oval Office des Weissen Hauses ein anderer schlagzeilenträchtiger Sex-Skandal begann.
Auch an seinem Abgeordnetenposten will Weiner festhalten. „Meines Wissens habe ich nichts Strafbares getan“, sagt er.
Weiners Wahlkreis ist Brooklyn in New York-City – ein besonders aufgeklärtes Stückchen USA. Dennoch hängt seine politische Karriere jetzt an einem seidenen Faden. Ein „Sex-Skandal“ und dazu noch Lügen – das ist in den USA doppelter politischer Selbstmord. Linke und rechte Abgeordnete rufen bereits nach der Einberufung eines „Ethikausschusses“, der über ihn befinden soll. Oder verlangen gleich seinen Rücktritt.
Eine Kostprobe aus der Pressekonferenz:
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PS: Anthony Weiner ist der vierte Mann, der in diesem Blog schluchzt.