vonKarim El-Gawhary 26.05.2010

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Journalismus und die „Wortwahl der Mächtigen“, lautet der Titel eines Essays des britischen Nahost-Korrespondenten Robert Fisk. Auf der Webseite von Jazeera International gibt Fisk Journalisten, Lesern, Zuhörern und Zuschauern, die sich mit der Region des Nahen- und Mittleren Ostens beschäftigen, viel Stoff zum Nachdenken.

Robert Fisk, Quelle: Jazeera International

„Macht und Medien, dabei geht es nicht nur um nette Beziehungen zwischen Journalisten und politischen Führern, zwischen Redakteuren und Präsidenten. Es geht nicht um die parasitär-osmotische Beziehung zwischen angeblich ehrenhaften Reportern und den Verflechtungen der Macht, die zwischen dem Weißen Haus, dem State Department, dem Pentagon und zwischen Downing Street, dem Foreign Office und dem Verteidigungsministerium verlaufen: Im westlichen Zusammenhang spiegelt sich diese Beziehung zwischen Macht und Medien auch in den Worten und der Wortwahl wider“, Robert Fisk

Journalisten argumentiert er, seien zu „Gefangenen der Sprache der Mächtigen“ geworden. Dann nimmt er sich einiger Phrasen an, die Generäle gern verbreiten und Journalisten bedenkenlos kopieren. Etwa der „spike of violence“ Das englische Wort „spike“ steht für eine kurze Spannungsspitze im Stromkreis. Immer wenn es bei Anschlagserien in Bagdad verwendet wird, ist damit ein „kurzes Aufflammen der Gewalt“ gemeint. „Wir verwenden damit buchstäblich eine Wortkreation des Pentagon“, schreibt Fisk. Denn, so argumentiert er: ein Spike, der geht kurz hoch und dann wieder herunter“. Mit dieser Kreation vermeidet man, von einer „Steigerung der Gewalt“ zu sprechen. Das klingt schon viel schlechter, denn eine „Steigerung“ bleibt möglicherweise genau eine solche und geht nicht mehr zurück.

Wenn US-Generäle mehr Truppen nach Falludscha, Bagdad oder Kandahar schicken, dann sprechen sie gerne von einem „surge“, zu deutsch, einer „Brandung“ oder „Woge“ die ähnlich wie ein Naturphänomen, wie ein Tsunami daherkommt. „Ernsthafter Journalismus sollte das einfach eine „Truppenverstärkung“ nennen und, so schreibt Fisk, „Truppenverstärkungen werden in einen Krieg geschickt, wenn man Angst hat ihn zu verlieren“.

Im Nahost-Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern stößt Fisk besonders die Phrase der „competing narratives“ auf,  zu Deutsch etwa „konkurrierende Schilderungen“. Jede Seite hat ihre Version. Damit schaltet man die Möglichkeit aus, dass es, wie Fisk schreibt „einen Besatzer und einen Besetzten gibt, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit (…) Es sind halt freundliche `competing narratives`. Das klingt wie ein Fußballspiel, in dem sich beide Seiten in einem Wettbewerb befinden und damit muss ihnen in jeder Geschichte die gleiche Zeit und der gleiche Platz gegeben werden.“

Anschaulich ist auch der Abschnitt, in dem sich Fisk mit dem Begriff „ausländische Kämpfer“ in Afghanistan auseinandersetzt. Natürlich sind damit arabische Gruppen gemeint, die nach Afghanistan gekommen sind, um die Taliban zu unterstützen. Das gleiche war bereits im Irak im Gebrauch. Die Generäle nennen sie „ausländische Kämpfer“ und die westlichen Reporter plappern es nach.

Ausländischer Kämpfer in Afghanistan. dpa via taz

„Nicht eine einziges Mal“, schreibt Fisk, „habe ich eine der großen westlichen Fernsehstation davon sprechen hören, dass sich in Afghanistan mindestens 150.000 ausländische Kämpfer befinden, die meisten Amerikaner und in Nato-Uniform“.

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